Nach einem Deckeneinsturz auf dem Campus am Weißenhof attestiert der Gutachter falsches Baumaterial. Die Rektorin sieht keinen Zusammenhang mit dem Tunnelbau für Stuttgart 21, das Land kalkuliert Kosten von 80 000 Euro für die Reparaturen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die Aufregung war groß und der Zusammenhang zu naheliegend, als dass man ihn nicht äußern musste. Am 21. März stürzten Deckenteile im sogenannten Bildhauerbau der Kunstakademie herab. Zwei Studentinnen, die sich in dem Trakt aufhielten, retteten sich leicht verletzt ins Freie. Die beiden Betroffenen sahen einen Zusammenhang mit dem Tunnelbau für Stuttgart 21. Die von Feuerbach zum neuen Hauptbahnhof verlaufenden Röhren liegen rund 80 Meter unter dem Werkstattbau und dem von der Akademie als Neubau 2 bezeichneten Gebäude. Der weiter westlich stehende Bildhauerbau hingegen wird nicht untertunnelt. Zum Zeitpunkt des Deckeneinsturzes befand sich die Tunnelbaustelle gut 250 Meter vom Hochschulgelände entfernt.

 

Die verwendeten Nägel sind nicht zugelassen gewesen

Die seit vier Wochen amtierende Rektorin Barbara Bader glaubt nicht an einen Zusammenhang mit dem Bahnprojekt. „Es hat sich wirklich in allen Fällen nicht erhärtet“, sagte sie in einem Interview mit dem SWR. Das Land geht unterdessen davon aus, den Schaden selbst bezahlen zu müssen. Nach Aussagen des Finanzministeriums kalkuliert man mit Kosten von rund 80 000 Euro, denn „aufgrund der vermuteten Schadensursache werden alle baugleichen Decken des Gebäudes ausgebaut“, teilt Michaela Reiter aus der Presseabteilung des Ministeriums auf Anfrage schriftlich mit. Der Sachverständige habe sich am 27. April vor Ort umgesehen, sein schriftliches Gutachen erwarte das Land in 14 Tagen. Eine erste Stellungnahme des Experten weist allerdings auf Regelverstöße beim Bau der Decken hin. Demnach seien damals „glattschaftige Nägel“ für die Befestigung der Unterkonstruktion verwendet worden. Diese „hatten bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes keine Zulassung für eine dauerhafte Zugbelastung“, heißt es beim Sachverständigen. Der auf der Decke aufgebrachte Schilfrohrputz habe die Nägel voll belastet. „Durch äußere Einflüsse wie Quellen und Schwinden des Holzes wurden die Nägel mehr und mehr herausgezogen, bis ein oder mehrere Nägel ihre Last nicht mehr aufnehmen konnten“.

Die Hochschulrektorin moniert einen Investitionsstau

Hochschulrektorin Bader verweist zudem darauf, dass die Gebäude auf dem Campus am Weißenhof doch recht betagt seien. „Wir haben hier oben einen großen Investitionsstau“, sagt Barbara Bader auf StZ-Anfrage. Konkrete Zahlen kann sie nicht nennen, schätzt aber, dass sich die notwendigen Arbeiten auf einen „zweistelligen Millionenbetrag“ summieren würden. Das sei aber hinlänglich bekannt und in entsprechenden Plänen festgehalten.

Der nach dem Deckeneinsturz gesperrte Trakt ist zumindest teilweise wieder in Betrieb. „Der untere Teil ist wieder geöffnet, der obere wird noch bis Ende des Monats saniert“, erklärt Barbara Bader.

Bislang 85 Schadensmeldungen bei der Bahn

Das Land will die aufwendigen Reparaturen aus Mitteln des Bauunterhalts bezahlen. Eine Schadensmeldung an die Bahn wegen des vermuteten Zusammenhangs mit den S-21-Arbeiten gab es nicht. Eine solche wäre aber Voraussetzung dafür, dass die Bahn Gutachter einsetzt und ihre Versicherung mit dem Begleichen des Schadens beauftragt. Beim Bau der bislang gut 28 Kilometer Tunnel in der Stadt und auf den Fildern für S 21 haben nach Angaben der Bahn-Projektgesellschaft Stuttgart–Ulm (PSU) bislang 85 Eigentümer einen entstandenen Schaden reklamiert. 47 Fälle befinden sich in der Bearbeitung, wovon knapp die Hälfte zu einer Schadensregulierung geführt haben. Unter den 38 nicht bearbeiteten Fällen gebe es eine hohe Zahl, bei der „sich die Schadensmelder nach der Aufforderung zur Konkretisierung des möglichen Schadens nicht mehr gemeldet haben.“