Hinter Jan Ullrich liegen schwere Jahre. Nun hat der 37-Jährige wieder Lebensfreude und will sich demnächst zur Doping-Vergangenheit äußern.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Ditzingen - Gut sieht er aus. Und gut sieht es über ihm aus. Kaiserwetter in Ditzingen. Zu schön ist es, um viel Zeit mit Reden zu verbringen. Jan Ullrich will Radfahren. Das, was er am besten kann, und das ist es auch, was ihm wieder großen Spaß macht. Er bittet darum, dass man ihm doch Platz mache, bei so einem Wetter müsse man Rad fahren. Dann sitzt er im Sattel und fährt davon. Es ist ein Benefizrennen gewesen, das den 37-Jährigen am Tag der Deutschen Einheit in die Region verschlagen hat. Stammgast ist er bei der Veranstaltung. Der umjubelte Star ohne Allüren ist ein gern gesehener Gast, wenn es darum geht, den prominenten Namen für die gute Sache in Bewegung zu setzen.

 

An diesem Montag schließt sich ein Kreis. Am 3. Oktober 2007 hatte er bei diesem Rennen, damals noch in Weil der Stadt, seinen ersten öffentlichen Auftritt auf dem Rad nach seinem Rücktritt. Damals, vor vier Jahren, hatte er sich mehr oder weniger aus der deutschen Öffentlichkeit verabschiedet, jetzt kehrt er bewusst in eben jene zurück. Im Juli hat er sich mit Interviews bereits medial zurückgemeldet. Ende August hatte Ullrich dann am Ötztaler Radmarathon unter dem Namen "Max Kraft" teilgenommen. Nun also Ditzingen. Seine persönliche Tour zurück ins Leben.

Schwere Jahre liegen hinter ihm. Über Nacht wurde ihm die Existenzgrundlage entzogen, von heute auf morgen stand er vor dem Nichts. "Ich bin ja praktisch nach meinem Karriereende vier Jahre kein Rad gefahren, habe praktisch keinen Sport gemacht. Habe mich immer mehr zurückgezogen mit meinen Problemen, die dann ja auch keiner mehr hören konnte, auch in der Familie nicht, denn die waren ja allen bekannt. Ich hab das in mich reingefressen. Und mich dazu körperlich viel zu wenig belastet", hat der in der Schweiz lebende Ullrich dem TV-Sender Servus.tv kürzlich erst erzählt.

Es ist Geschichte, aber nicht vergessen

Der tiefste Sturz der deutschen Sportgeschichte - dafür steht Jan Ulrich. Auf einmal unterm Rad. Er hatte als erster Deutscher 1997 die Tour de France gewonnen und war Liebling der Sportnation, 2006 wurde er im Zuge der Fuentes-Affäre von seinem Rennstall aus dem Verkehr gezogen, bald darauf trat er zurück - ohne jemals direkt Doping gestanden zu haben, trotz eindeutiger Indizienlage. "Ich habe in meiner ganzen Karriere nie jemanden betrogen" - diesen geflügelten Satz hat er damals der Öffentlichkeit hinterlassen. Weil auch alle anderen gedopt haben, so konnte man das verstehen.

Es ist Geschichte, aber nicht vergessen. Auch jetzt nicht, wo er wieder überm Rad ist. Er hat in den vergangenen Monaten sich und sein Umfeld neu sortiert. Er hat ein neues Management (Carl-Uwe Steeb), er hatte sich zuvor 2010 in Behandlung wegen eines Burn-out-Syndroms begeben und sich dann monatelang zurückgezogen. Er habe wieder Spaß am Radfahren, am Sport, am Leben, verlautet jetzt aus seinem Umfeld. Im nächsten Jahr will er verstärkt bei großen Veranstaltungen im Jedermannbereich präsent sein. Jan Ullrich sagt: "Ich fahre jetzt einfach, weil es meinem Körper guttut und meiner Psyche. Ich kann auch viel besser mit dem Kopf arbeiten, wenn ich ein bisschen Sport gemacht habe."

Die Vergangenheit lässt ihn nicht in Ruhe

Er will nach vorne blicken. Aber seine Vergangenheit lässt ihn noch nicht in Ruhe. Bis zum 20. Oktober wird der Internationale Sportgerichtshof Cas einen Schiedsspruch verkünden. Die für Ullrich zuständige Schweizer Antidopingagentur hat eine Wiederaufnahme des eingestellten Dopingverfahrens gegen ihn gefordert.

Das alles ist lange her, doch noch immer warten viele auf die Wahrheit - aus dem Mund von Jan Ullrich. Die Fakten kann jeder nachlesen, selbst die Summen sind teils bekannt. Nicht aber seine Sicht. Wenn die Zeit reif sei, werde er sich äußern, hat er immer wieder gesagt. Bald könnte es so weit sein. Vielleicht hat er Frieden mit seiner Vergangenheit geschlossen, vielleicht ist dies für ihn ein wichtiger Schritt in seine Zukunft. Sein neuer PR-Berater Falk Nier sagt jedenfalls: "Wenn die Geschichte in der Schweiz abgeschlossen ist, wird Jan inhaltlich etwas über seine Karriere sagen."