Zum Festival für Offenheit und Toleranz in der Gemeindehalle in Unterweissach kommen am Samstagabend viele Bürger und Flüchtlinge – und setzten ein Zeichen gegen rechte Gewalt und Ausländerfeindlichkeit.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Weissach im Tal - Die Idee ist Ende August entstanden, unmittelbar nach dem Brandanschlag auf das Flüchtlingswohnheim in der Welzheimer Straße in Weissach im Tal: Mehrere Musikbands aus der Gegen hatten sich bei der Gemeinde gemeldet und vorgeschlagen, ein Konzert zu bestreiten um Geld zu sammeln.

 

Jetzt ist es soweit. Samstagnachmittag, Gemeindehalle Unterweissach, zunächst spielen zwei Musiker der örtlichen Missionsschule. Dann greift Achmed Rami Salman zur Gitarre. Neben ihm sitzt der Sänger Fouad Kweka. Beide sind 23 Jahre alt. Beide sind Flüchtlinge aus Syrien. Beide sind seit gut einem Monat im Nachbarort Aspach in einer Sporthalle einquartiert. Das Duo spielt arabische Lieder. Die Zuhörer, geschätzt 250, spenden nach jedem Song Applaus. Das Duo genießt den Auftritt bei dem Festival für Offenheit und Tolerant. Das Motto der Veranstaltung heißt „Weissach bekennt Farbe“, es ist die dritte große Aktion nach dem Anschlag.

Mahnwache und Menschenkette

Unmittelbar nach dem Brand, der die unbewohnten Unterkunft am 24. August komplett zerstört hat, waren viele Bürger spontan zu einer Mahnwach gekommen. Nach den großen Ferien hatten sich dann fast alle Schüler des Bildungszentrums Weissacher Tal an einer Menschenkette von ihrer Schule bis zum abgebrannten Gebäude beteiligt. Jetzt also das Festival, bei dem nach dem Duo aus Syrien eine afrikanische Percussioncombo auftritt. Die Musiker leben in Unterkünften für Asylbewerber in Backnang und in Winnenden. Jochen Schneider vom Verein Kubus hat die Trommler eingesammelt und nach Weissach gefahren. Am Rande der Veranstaltung, bei der später mehrere Rockbands aus Backnang und Umgebung auftreten werden, erzählt Schneider, dass die Afrikaner eine „richtige Band“ gründen wollten, nicht bloß mit Trommeln.

Der syrische Gitarrist Salman berichtet nach seinem kurzen Gig in bestem Englisch, dass er in Syrien und in Malaysia Wirtschafts studiert habe, dass er keinesfalls ins Bürgerkriegsland Syrien zurückkehren, sondern in Deutschland bleiben wolle. Ende Januar habe er ein Interview mit den Behörden, er hoffe, dass er als Asylbewerber anerkennt werde. In der Unterkunft in Aspach gehe es ihm und seinen Landsleuten sehr gut.

Weissacher Patin betreut Familie mit Kleinkindern

In einem Eck des Hallenfoyers stellt der syrische Maler Ayman Mohammed Ali aus. Seine Bilder zeigen nur schöne Dinge: etwa Blumen und Schmetterlinge.

An einem der Tische hat eine 34-jährige Erzieherin Platz genommen, die ihren Namen nicht verraten möchte. Sie erzählt, dass sie die Patin sei von mehreren syrischen Flüchtlingen, von einer Familie mit kleinen Kindern und ein paar Jugendlichen, die in Begleitung eines 22-Jährigen nach einer Odyssee durch halb Europa im Oktober in Weissach im Tal gelandet sind. Alle wollte unbedingt in Deutschland bleiben. Die Kinder gingen schon in die Schule und in den Kindergarten, ihr Deutsche werde von Tag zu Tag besser.

Immer wieder ist an diesem Tag in der Gemeindehalle ein Satz zu hören: „Ich bin froh, dass wir diesen Bürgermeister haben.“ Gemeint ist Ian Schölzel, der nach dem Brand ganz schnell ganz klar Position bezogen hat. Das Gebäude müsse wieder aufgebaut werden, als Zeichen gegen rechte Gewalt. Und als Zeichen dafür, dass Weissach nicht Dunkeldeutschland sei, wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ getitelt hatte.

Zum Abschluss spielt Wendrsonn

Der Gemeinderat hat längst einstimmig beschlossen, dem Schultes zu folgen. Schölzel ist Schirmherr des Festivals, bei dem am Samstagabend gegen 22 Uhr die erfolgreiche Folkrockband Wendrsonn auftreten wird – wie alle anderen Bands ohne Gage. Der Eintritt ist frei. Die Organisatoren bitten aber um Spenden für die Ausstattung des neuen Wohnheims. Auf die Frage, ob es wohl weitere Aktionen der engagierten Bürger geben wird, sagt Silke Müller-Zimmermann, eine der Organisatorinnen: „Spätestens bei der Eröffnung des Heims.“