316 Anzeigen zum "schwarzen Donnerstag" beschäftigen die Justiz, konkrete Ergebnisse gibt es aber bis jetzt noch keine.

Stuttgart - Zumindest gezählt und gesichtet worden ist die Anzeigenflut schon, die der Polizeieinsatz am 30. September im Schlossgarten gegen Stuttgart-21-Demonstranten ausgelöst hat. Insgesamt 316 Anzeigen zum "schwarzen Donnerstag" liegen laut Staatsanwaltschaft Stuttgart vor, die überwältigende Mehrheit davon richte sich gegen Polizeibeamte, sagt die Pressestaatsanwältin Claudia Krauth. Einige wenige Anzeigen wurden zudem auch gegen Demonstranten gestellt.

Konkrete Ermittlungen sind derweil in allen Fällen noch immer nicht angelaufen. "Das Material ist noch nicht so weit", sagt Krauth. Wie viele Verfahren letztlich tatsächlich eingeleitet würden, sei daher noch nicht klar. Erst müssten noch Einsatzberichte und Funkmitschnitte der Polizei ausgewertet, Bilder und Filmmaterial gesichtet und alles zeitlich sortiert und zusammengeführt werden, um etwa einzelne Sequenzen aus einem Film einer konkreten Anzeige zuordnen zu können.

Zuständig für diese "aufwendige Aufklärungsarbeit" ist dabei nicht die Staatsanwaltschaft selbst, die dafür auch nicht die Kapazitäten habe, so Krauth, sondern die Stuttgarter Polizei. Es sei eine spezielle Ermittlungsgruppe unter der Führung des Dezernats für Korruption und Amtsdelikte eingerichtet worden, bestätigt der Polizeisprecher Stefan Keilbach. Teilweise seien bis zu 30 Beamte mit den Vorermittlungen und Untersuchungen der Vorgänge im Schlossgarten beschäftigt.

Herr der Ermittlung bleibt die Staatsanwaltschaft


Dass die Stuttgarter Polizei damit im Zweifelsfall gegen sich selbst und die eigene Dienstbehörde ermittelt, etwa im Fall einer Anzeige gegen einen Polizisten wegen Körperverletzung, hält der Polizeisprecher Keilbach für unproblematisch. Es gehe nur darum, konkrete Sachverhalte aufzubereiten. Diese Arbeit werde auch in anderen Fällen von der Polizei geleistet.

Für die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart stellt diese besondere Konstellation, also bei einem solch schwerwiegenden Vorgang "im eigenen Saft zu ermitteln", dagegen durchaus eine "überdenkenswerte Situation" dar, wie der Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger betont. "Wir sind informiert worden, dass die Polizei die Untersuchungen selbst vornimmt und haben uns daraufhin ausführlich zum Thema Befangenheit besprochen", so Pflieger. Letztlich habe man diese Entscheidung aber respektiert. "Wir unterstellen, dass die Untersuchungen von der Stuttgarter Polizei sachgerecht und objektiv durchgeführt werden." Herr der Ermittlungsverfahren bleibe ja die Staatsanwaltschaft. Zudem sei weiterhin auch die Generalstaatsanwaltschaft beteiligt, weil es sich um einen brisanten Vorgang von öffentlichem Interesse handle.

Bei dem Einsatz im Stuttgarter Schlossgarten, bei dem die vom Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf befehligten Hundertschaften teilweise mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgingen, waren nach offiziellen Angaben mehr als hundert Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Alleine das Deutsche Rote Kreuz (DRK), dessen Leitstelle entgegen der sonst üblichen Vorgehensweise weder im Vorfeld noch am 30. September selbst von der Polizei über den massiven Einsatz informiert worden war, hat im Laufe des Tages nach eigener Aussage 130 Verletzte behandelt. 16 von ihnen mussten mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht werden, unter anderem wegen schwerer Augenverletzungen.