Nach den Erdbeben ist das Ausmaß der Katastrophe deutlich. Zahlreiche Ortschaften sind zerstört, tausende Menschen sind obdachlos. Wie durch ein Wunder gibt es nur wenige Tote und Verletzte.

Rom - Die neue Erdbebenserie in Italien hat Schäden, Angst und Tausende Menschen in Obdachlosigkeit hinterlassen. Einen Tag nach den schweren Erdstößen am Mittwochabend wird das Ausmaß der Katastrophe deutlich: Bewohner der betroffenen Regionen stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Allerdings kamen sie mit dem Leben davon. Innenminister Angelino Alfano sprach angesichts der Stärke der Beben von einem „Wunder“.

 

Nachbeben erschütterten immer wieder die Dörfer in der Bergregion, die schon nach dem schweren Erdbeben im August getroffen wurde. Die Menschen kommen nicht zur Ruhe. Das Erdbeben stelle Italien auf eine harte Probe, aber das Land sei stärker, sagte Premierminister Matteo Renzi am Donnerstagnachmittag. Er besuchte den Ort Camerino in der Provinz Macerata, wo die sich entladenen Spannungen Fassaden und Dächer einstürzen ließen. „Das Erdbeben wird Italien nicht zum Stillstand bringen“, sagte Renzi. Er kündigte den raschen Wiederaufbau der zerstörten Orte und Dörfer an.

Mehr als 4000, wenn nicht gar 5000 Menschen sind nach Angaben des Zivilschutzes obdachlos, die Zahl sei nicht definitiv und könnte auch wieder auf 2500 fallen. „Die Situation ist dramatisch, nur durch ein Wunder gibt es keine Toten und Schwerverletzten, aber die Schäden sind gewaltig“, zitierte die Nachrichtenagentur Ansa Sprecher Angelo Sciapichetti. Es gehe jetzt darum, den Menschen für die Nacht einen Unterschlupf zu geben.

Ein Mann stirbt, mehrere Menschen sind verletzt

Ein Mann starb, allerdings an einem Herzinfarkt. Mehrere Menschen wurden verletzt. Historische Orte und mehrere Kirchen wurden zerstört. Schulen in der betroffenen Provinz Macerata sollten noch bis kommende Woche geschlossen bleiben.

Obwohl die Erdstöße in den Regionen Marken und Umbrien ähnlich stark waren wie bei dem verheerenden Beben mit 298 Toten vor fast exakt zwei Monaten, hatte der Zivilschutz die Folgen schon früh als weniger schwer eingeschätzt. Grund dafür könnte sein, dass viele Menschen bei den Beben die Chance hatten, ins Freie zu laufen. Und viele Häuser waren wegen des Sommerbebens sowieso schon nicht mehr bewohnbar.

„Es ist eine Katastrophe, 80 Prozent der Wohnungen sind wohl unbewohnbar. Und mit den neuen Beben geben die Leute auf“, sagte der Bürgermeister des Dorfes Ussita, Marco Rinaldi. Im nicht weit entfernten Ort Castelsantangelo sul Nera ist laut Bürgermeister der gesamte historische Ortskern beschädigt. „Das Zentrum ist Sperrgebiet“, sagte Mauro Falcucci. 90 Prozent der Häuser hätten Schäden.

Die Regierung in Rom versprach 40 Millionen Euro Soforthilfe. Premier Renzi hatte wegen seiner Reise in die Erdbebenregion geplante Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem wichtigen Referendum über die Verfassungsreform im Dezember abgesagt, wie Ansa schrieb. Papst Franziskus sprach den Menschen im Gebet seine Nähe aus.

Die Menschen sollten nicht in Zelten untergebracht werden, sondern in Hotels und anderen Unterkünften, sagte Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. „Wir versuchen, die beste Lösung zu finden, um den Menschen zu helfen, die angesichts des Klimas und der Jahreszeit nicht in Zeltstädten unterkommen können“, sagte er.

Obdachlose sollen in wärmere Regionen an der Küste gebracht werden

Deshalb überlege man, die Obdachlosen in Richtung Küste zu bringen. Die erdbebengefährdete Region liegt in dem Gebiet rund um den bergigen Nationalpark Monti Sibillini. Dort wird es im Winter bitterkalt. Die Adriaküste ist etwa eine Stunde Autofahrt entfernt, die Hauptstadt Rom liegt Luftlinie etwa 120 Kilometer südwestlich.

Der nach dem August-Beben ernannte Kommissar für den Wiederaufbau, Vasco Errani, versprach schnelle Hilfe. „Ich bestätige das Engagement der Regierung: Wir bauen alles wieder auf.“

In der Nacht kam es zu etlichen Nachbeben, darunter auch mehrere einer Stärke von mehr als 4, teilte die italienische Erdbebenwarte INGV mit. „Mit weiterer Nachbeben-Aktivität ist zu rechnen“, sagte Torsten Dahm, Seismologe am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. „Diese Aktivität kann sich über viel Monate hinziehen.“

Die beiden Erdstöße der Stärke 5,5 und um die 6 ereigneten sich ganz in der Nähe jener Region, die erst Ende August heftig getroffen worden war. Damals kamen die meisten Menschen in der Stadt Amatrice ums Leben. Der dortige Bürgermeister Sergio Pirozzi sagte, auch in seinem Ort sei es erneut zu Schäden gekommen.