Die Südwest-CDU schlittert immer tiefer in die Krise. Nach Frankfurt und Stuttgart hat sie auch die Oberbürgermeisterwahl in Karlsruhe verloren. Das Problem: die CDU trifft nicht den Nerv der Großstadtbewohner.

Von einem Paukenschlag ist in Karlsruhe die Rede. Viele Beobachter hatten alles andere erwartet als „einen Durchmarsch im ersten Wahlgang“. Die Wahl des SPD-Politikers Frank Mentrup am Sonntag zum neuen Rathauschef ließ auch am Tag danach manche staunen. Am 1. März 2013 wird in Karlsruhe eine Ära zu Ende gehen: Mit Amtsantritt des neuen Oberbürgermeisters Mentrup, derzeit noch Staatssekretär im baden-württembergischen Kultusministerium, werden 42 Jahre CDU-Vorherrschaft in der badischen Stadt beendet. Seit 1. Juli 1970 regierten dort ununterbrochen Unionspolitiker im Rathaus. Die CDU hat dann in den zehn größten Städten Baden-Württembergs keinen OB-Sessel mehr inne.

 

„Der Parteichef ist außer Rand und Band“, titelten gestern lokale Medien. Nils Schmid, so hieß es, glaube die SPD „auf der Siegerstraße“. Dabei müssen sich die Sozialdemokraten nach dem Karlsruher Wahlsieg ein paar Gedanken machen. Denn das, was hier zur Wahl stand, war ein höchst ungewöhnliches Bündnis.

Die SPD allein hätte nie solch ein Ergebnis eingefahren

Der von SPD, Grünen, Piraten und Karlsruher Liste getragene Sieger Mentrup setzte sich gegen sechs Mitbewerber mit 55 Prozent durch. In der Innenstadt kletterte seine Zustimmung auf bis zu 65 Prozent. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ingo Wellenreuther erreichte 35 Prozent. Die SPD allein, die in Karlsruhe bei gerade mal 20 Prozent Stimmenanteil dümpelt und auch kein herausragend gutes Image genießt, hätte nie solch ein Ergebnis eingefahren. Der neu gewählte Oberbürgermeister Mentrup dürfte selbst am besten erfasst haben, was letztlich zum Wahlsieg führte: Er hat sein breites Parteienbündnis auch nach der Wahl fest im Blick, selbst der Opposition bot er das Gespräch an. In einem nahe gelegenen Café, in dem seine Anhänger am Wahlabend feierten, schildert Mentrup mit bewegten Worten, wie „das Bündnis im Lauf der Monate zusammengewachsen sei“, deshalb sei es auch „ein Sieg von euch allen“. Dabei dürfte auch Mentrups Persönlichkeit mit ausschlaggebend gewesen sein: Er ist promovierter Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, kann sich gut „in die Seele anderer hineindenken“.

Die grüne Landtagsabgeordnete Gisela Splett, sie vertritt den Wahlkreis Karlsruhe, erwartet nun „einen ganz neuen Politikstil“. Mentrup sei „der richtige Kandidat und der richtige Prophet“ für die Großstadt Karlsruhe. Er könne Menschen verbinden.

Die CDU hat vor allem in den Innenstadtbezirken verloren

Während auf Seiten des „Mentrup-Bündnisses“ Freude über den errungenen Sieg herrscht, gibt sich die unterlegene Konkurrenz tief getroffen: der CDU-Landtagsabgeordnete Manfred Groh zeigt sich „enttäuscht und erschüttert“ über den Wahlausgang. Die Partei, stellt er fest, müsse sich nach der Niederlage „gewaltig umstellen“.

Die CDU hat in Karlsruhe vor allem in den Innenstadtbezirken verloren. Hier kam der unterlegene Kandidat Wellenreuther teilweise nur auf knapp 25 Prozent. „Der CDU gelingt es nicht mehr, das Lebensgefühl der Städter anzusprechen“, sagt der Tübinger Wahlforscher Hans-Georg Wehling. „Vor allem junge Frauen kann sie nicht mehr erreichen. Sie wird immer mehr zur Partei der alten Männer und karrieresüchtigen jungen Leute von der Jungen Union.“ Die CDU müsse ihre Themen überdenken. So habe die Einführung des Betreuungsgeldes für Eltern, die ihre Kinder nicht in der Kita betreuen lassen, dem Image der Partei geschadet. Wehling: „Sie müssen dem neuen Frauentyp Rechnung tragen, der Kinder und Karriere unter einen Hut bringen will.“ Außerdem erwarteten Großstädter eine andere Gesprächskultur. „Sie wollen keine Bastapolitiker, die sagen, wo es langgeht, sondern Dialog und Mitsprache.“ CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe trat vor dem CDU-Parteitag in Hannover dem Eindruck entgegen, seine Partei könne keine Wahlen mehr in großen Städten gewinnen. „Ja natürlich kann die CDU Großstadt“, sagt Gröhe im SWR. Die CDU regiere in Berlin mit und sei erfolgreich etwa in Dresden oder Düsseldorf. Die Union könne Großstadt, unterstreicht auch der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl, sie müsse aber den Menschen in den Großstädten bei jeder einzelnen Wahl ein überzeugendes Angebot machen.

Merkel: in Städten habe CDU Nachholbedarf

Ungeachtet der Niederlagenserie der Südwest-CDU will Landeschef Thomas Strobl heute beim Bundesparteitag als Stellvertreter der Bundesvorsitzenden Angela Merkel kandidieren. „Es geht darum, die Partei im Südwesten vor der Bundestagswahl zu stabilisieren“, sagt ein führender CDU-Politiker aus Baden-Württemberg. Ohne ein starkes Ergebnis der Südwest-CDU könne Merkel die Bundestagswahl nicht gewinnen.

Die CDU-Chefin räumt mit Blick auf Karlsruhe ein, dass ihre Partei in Städten Nachholbedarf habe. Es liege zwar in der Natur der demokratischen Gesellschaft, „dass es auch mal Wechsel gibt“, sagt sie bei einer Hallenbegehung vor dem Bundesparteitag in Hannover. „Aber natürlich kann die CDU Volkspartei nur sein, wenn sie auch in den Städten stark ist.“