Nach einer Razzia unter anderem in einem FKK-Club in Leinfelden-Echterdingen erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Mann und zwei Frauen. Der Mann soll ein sogenannter Loverboy gewesen sein. Er soll jungen Frauen die große Liebe vorgegaukelt und sie in die Prostitution getrieben haben.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Nach einer internationalen Großrazzia gegen Menschenhändler Ende November münden nun die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft in ein Strafverfahren. Damals war unter anderem auch ein FKK-Club in Leinfelden-Echterdingen durchsucht worden. Gegen drei der damals 15 in den Fokus geratenen Personen erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart nun Anklage vor dem Landgericht. Die Ermittler werfen einem Mann und zwei Frauen schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Zuhälterei vor. Es handelt sich um einen 21-Jährigen und zwei Frauen im Alter von 25 und 26 Jahren. Da der Mann zum Zeitpunkt der Taten, die ihm vorgeworfen werden, noch ein Heranwachsender war, wird sich eine Jugendkammer des Landgerichts mit dem Fall befassen.

 

Eine perfide Erscheinungsform

Der Mann soll ein sogenannter Loverboy gewesen sein. Systematisch machen sich diese jungen Männer an Frauen heran und gaukeln ihnen die große Liebe vor. Was zunächst nach einem Heiratsschwindel klingt, ist in diesem Fall eine perfide Erscheinungsform der organisierten Kriminalität: Die Loverboys bringen ihre „Auserwählten“ dazu, sich in Bordells zu prostituieren, indem sie vorgeben, in akuter Geldnot zu sein. So soll der 21-Jährige im Fall dreier Frauen im Alter von 19, 20 und 21 Jahren vorgegangen sein. Als die Damen in den Bordellen angekommen waren, sollen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die zwei ebenfalls beschuldigten Frauen mitgeholfen haben. Sie sollen in den Bordellen als Prostituierte tätig gewesen sein und die Aufgabe gehabt haben, die völlig unerfahrenen jungen Frauen zu begleiten und sie zu überwachen. Auch sollen die Damen dafür zuständig gewesen sein, ihre jungen Kolleginnen aufzuhalten, falls diese erwogen hätten, aus dem Geschäft auszusteigen. Sowohl die Frauen als auch der 21-Jährige sollen von den jungen Prostituierten Geld bekommen haben.

Die Durchsuchungen unter der Federführung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg fanden am letzten Novemberwochenende parallel in vier Großbordellen in Leinfelden-Echterdingen, Frankfurt, Saarbrücken und Graz statt. Alle sind mit dem Stammhaus auf den Fildern verbunden, dessen Pressesprecher unter den fünf Personen war, die festgenommen wurden. Er fungierte zugleich als Generalbevollmächtigter des Saarbrücker Hauses, dessen Chef ebenfalls in Untersuchungshaft kam. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass beide inzwischen wieder auf freiem Fuß sind. Die Ermittlungen laufen noch gegen alle 15 Personen, die damals verdächtigt worden waren. Gegen den Chef des FKK-Clubs auf den Fildern wurden Betrugsvorwürfe erhoben. Er soll Investorengelder für den Bau weiterer Großbordelle eingeworben und diese dann für private Zwecke verwendet haben, so die Ermittler.

Angeklagter ist kein United Tribun

Von den Beschuldigten sollen mehrere Männer der Bande United Tribuns angehören. Diese rockerähnliche Gruppe soll seit Längerem im Rotlichtmilieu kriminelle Geschäfte machen. Im vorliegenden Fall sollen einige von ihnen für die Rekrutierung und die Überwachung der Prostituierten zuständig gewesen sein, so die Staatsanwaltschaft – darunter sei auch zu verstehen, dass sie handgreiflich werden, wenn die Frauen ihre Aufgaben in den Etablissements nicht erfüllen. Der 21-jährige Angeklagte soll aber kein United Tribun sein.

Das Verfahren soll noch in diesem Jahr beginnen, wahrscheinlich werde die Kammer Termine nach der Sommerpause ansetzen, sagte ein Sprecher des Gerichts.