Nach dem Insolvenzantrag von Locomore ruht Verkehr der Privatbahn zwischen Stuttgart und Berlin vorerst bis Montag. Für Landesverkehrsminister Hermann ist der Bund in der Pflicht, mehr Konkurrenz auf der Schiene zu ermöglichen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Am Freitag ist um 6.21 Uhr der Locomore-Zug pünktlich vom Stuttgarter Hauptbahnhof in Richtung Berlin gestartet. Es könnte aber auf absehbare Zeit die letzte Fahrt des Berliner Unternehmens gewesen sein, das am Donnerstag beim Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag hatte stellen müssen. Noch während der Zug auf dem Weg an die Spree war, teilte ein Anwalt der mit der Insolvenzverwaltung beauftragten Kanzlei in Berlin mit, der Betrieb könne erst wieder aufgenommen werden, wenn ein neuer Investor frisches Geld in das Start-Up-Unternehmen pumpe. Locomore gab bekannt, dass die Fahrten zunächst bis kommenden Montag ausgesetzt würden.

 

Hermann bedauert das vorläufige Aus

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bedauerte das vorläufige Aus. Es sei schade, wenn sich ein Zugangebot nicht auf dem Markt behaupten könne, sagte eine Sprecherin des Ministers. Die Verantwortung dafür liege in Berlin. „Bedauerlicherweise ist es dem Bund seit der Bahnreform nicht gelungen, die Rahmenbedingungen im Schienenfernverkehr so zu gestalten, dass Wettbewerb entstehen kann“, so die Ministeriumssprecherin.

Damit ist das mit viel Enthusiasmus gestartete Vorhaben, der Deutschen Bahn auf der Fernstrecke Konkurrenz zu machen, vorerst gescheitert – und das nicht zum ersten Mal. Locomore-Chef Derek Ladewig hatte mit dem Hamburg-Köln-Express bereits einmal versucht, dem Staatskonzern Paroli zu bieten. Aus dem Angebot zwischen Rhein und Elbe ist Ladewig längst wieder ausgestiegen. Die Verbindung kommt nicht so recht in die Gänge.

Das Geld wurde im Internet gesammelt

Bei Locomore verfolgte Ladewig, einst Berater für die verkehrspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, einen unkonventionellen Ansatz. Das Start-up sammelte Geld im Internet ein. Beim sogenannten Crowdfunding kamen bis Ende März mehr als 900 000 Euro von Einzelspendern und Investoren zusammen. Aber auch diese Summe reichte nicht, um demnächst fällig werdende Rechnungen zu begleichen. Der Betrieb des Zuges, der morgens von Stuttgart nach Berlin und am Nachmittag wieder retour fuhr, soll bis zu 25 000 Euro pro Betriebstag verschlungen haben, kalkulieren Experten. Die Preise für die Fahrkarten sollten hingegen stetst deutlich unter denen der Deutschen Bahn liegen. Dabei hätten die Züge stets mindestens zur Hälfte gefüllt sein müssen, um kostendeckend betrieben werden zu können. „Sowohl die Anzahl der Fahrgäste als auch die Einnahmen pro Fahrgast sind zwar kontinuierlich gestiegen, aber nicht schnell genug, um vollständig kostendeckend zu arbeiten“, begründete Locomore den Gang in die Insolvenz. Nach dem Start im Dezember stellten sich bereits Ende Januar erste Probleme ein, sodass die Zugfrequenz vorübergehend reduziert wurde. Doch Ladewig wollte sich nicht entmutigen lassen und brachte gar neue Verbindungen von Berlin ins Ruhrgebiet ins Gespräch. Passagiere, die für die Fahrt zwischen Stuttgart und Berlin gebucht haben, müssen damit rechnen, dass ihre Tickets als Gläubigerforderungen ins Insolvenzverfahren eingehen.