Mails bestätigen den Verdacht: Bis zu zwei Milliarden Euro soll Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus für das EnBW-Paket zu viel bezahlt haben. Um sich das Geld zurückzuholen, bleibt der Landesregierung nur die Klage.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Durch die Mails des deutschen Morgan-Stanley-Chefs Dirk Notheis sieht sich die grün-rote Landesregierung in ihrem Verdacht bestätigt, dass Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) die EnBW-Aktien zu teuer bezahlt habe. Notheis’ jüngst bekannt gewordene Äußerung gegenüber dem französischen Bankchef René Proglio sei „ein weiterer Anhaltspunkt dafür“, sagte Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) nach der Kabinettssitzung. Notheis hatte dem Zwillingsbruder des EdF-Chefs Henri Proglio geschrieben, der mit diesem vereinbarte Preis von 40 Euro je Aktie sei „mehr als üppig, wie wir wissen“.

 

Auch vor diesem Hintergrund verteidigten Schmid und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Schiedsklage gegen den französischen Staatskonzern, über die an diesem Mittwoch auf Antrag der CDU der Landtag debattieren soll. Es gebe „keinen anderen Weg“, wenn das Land möglicherweise zu viel gezahltes Geld zurückbekommen wolle, sagte der Finanzminister; weder der Staatsgerichtshof noch der Untersuchungsausschuss könnten dies erwirken. Der verlangte Betrag von zwei Milliarden Euro – bei einem Gesamtkaufpreis von 4,7 Milliarden Euro – basiere auf einer groben Unternehmensbewertung und liege an der oberen Grenze. Diese habe man wählen müssen, da die Forderung im Lauf des Verfahrens nicht mehr aufgestockt, wohl aber gesenkt werden könne.

War der Paketzuschlag wirklich angemessen?

Die Experten des Landes sehen mehrere Anhaltspunkte für einen stark überhöhten Kaufpreis. Zum einen stellen sie infrage, ob der Paketzuschlag von 18 Prozent auf den Börsenkurs angemessen war, der alleine etwa 800 Millionen Euro entspricht.

Dies hatte bereits im Februar 2011 die von den Grünen eingeschaltete Beratungsgesellschaft LBD bezweifelt. Zum anderen seien die rechtlichen Risiken von Morgan Stanley offenbar nicht berücksichtigt worden. Zudem seien bei der Berechnung des Kaufpreises möglicherweise nicht die richtigen Multiplikatoren verwendet worden. Durch einen Gutachter werde man den Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Rückkaufes noch detailliert ermitteln lassen, sagte Schmid; mit dem heutigen Wert habe dies nichts zu tun.

Kretschmann und Schmid verteidigten die Schiedsklage gegen Kritik des zweiten EnBW-Großaktionärs, der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW). Das Land sei in einer anderen Lage als der Zweckverband, weil es die Aktien durch Schulden finanziert habe, betonte der Ministerpräsident. Er sei in die Grundsatzentscheidung für die Klage eingebunden gewesen, nicht aber in prozesstaktische Fragen.

„Wir sind voll und ganz Herr des Verfahrens“

Der Finanzminister rechtfertigte die von der OEW und der Opposition massiv kritisierten Hilfsanträge, den Kauf notfalls rückabzuwickeln oder den Vertrag für nichtig zu erklären. Es bleibe unverändert dabei, dass das Land die Anteile halten wolle. Man habe die Anträge aus rechtlichen Gründen stellen müssen, um bei einem Erfolg vor Gericht auch tatsächlich die Rückzahlung zu realisieren. Im Zweifel werde es aber Vergleichsverhandlungen mit den Franzosen geben. „Wir sind voll und ganz Herr des Verfahren“, versicherte Schmid, einen Automatismus gebe es nicht.

Er bedauerte, dass die EdF mit der Übersendung der Anträge an den EnBW-Ausschuss die Vertraulichkeit des Verfahrens gebrochen habe. Wie ernst die Franzosen die Klage nähmen, zeige die Tatsache, dass die Franzosen sogar eine deutsche Kommunikationsagentur eingeschaltet hätten. Wer wie die CDU die Klage öffentlich thematisiere, müsse sich fragen, wessen Interessen er diene.

Kretschmann: Verhältnis zur OEW gut

Kretschmann reagierte gelassen auf ein Schreiben der OEW, in dem diese ihr Unverständnis über das Vorgehen ausdrücken. „Das Verhältnis zur OEW ist gut“, sagte er. Man werde den Brief des OEW-Chefs Heinz Seiffert nun bewerten. Er glaube nicht, dass sich daraus dauerhafte Unstimmigkeiten ergäben. Die Frage, ob Morgan Stanley mit Notheis an der Spitze in Deutschland noch öffentliche Aufträge erhalte, beantwortete Kretschmann indirekt: „Von uns jedenfalls keinen.“