Nach der Messerattacke auf die parteilose OB-Kandidatin Henriette Reker steht die Stadt Köln unter Schock. Möglicherweise handelt es sich um ein fremdenfeindliches Attentat. Doch viel weiß die Polizei noch nicht über den Mann.

Köln - „Die Stadt hält den Atem an“ - Kölns scheidender SPD-Oberbürgermeister Jürgen Roters wirkt tief betroffen, als er am Samstag im Kölner Polizeipräsidium seine Gefühle nach dem Messerangriff auf die parteilose OB-Kandidatin Henriette Reker schildert. Das womöglich fremdenfeindliche Attentat eines 44-Jährigen, das Reker schwer verletzt nach einer Notoperation überlebte, sei nicht nur ein Angriff auf das Leben von Reker und weiterer Menschen gewesen, sagt Roters. „Es ist (...) auch ein Angriff auf das öffentliche Leben und auch ein Angriff auf die Demokratie.“

 

Das Attentat ereignet sich am Samstagmorgen an einem CDU-Wahlkampfstand am Rande des Wochenmarktes im Kölner Stadtteil Braunsfeld. Um 9.04 Uhr geht bei der Kölner Berufsfeuerwehr der Alarmruf ein: Eine Anruferin meldet, auf dem Wochenmarkt seinen mehrere Menschen durch Messerstiche verletzt worden. Wenig später sind Sanitäter in sechs Rettungswagen, insgesamt fünf Notärzte und Mitarbeiter der Notfallseelsorge am Tatort. Als die Polizei eintrifft, ist der Täter bereits festgenommen: Ein Bundespolizist, der sich in seiner Freizeit auf dem Wochenmarkt aufgehalten hat, stellt den 44-Jährigen, wie Ermittlungsleiter Norbert Wagner später mitteilen wird. Der Attentäter leistet keinen Widerstand. Bei sich führt er eine großes Bowiemesser mit langer Klinge und ein Butterflymesser.

Täter ist Deutscher, arbeitlos und lebt von Hartz IV

Mit dem Bowiemesser hatte er der 58-jährigen Reker eine Wunde am Hals zugefügt. Eine weitere Frau verletzt er schwer, drei Menschen kommen mit leichteren Blessuren davon. Wer ist der Mann, der einen Tag vor der Oberbürgermeister-Wahl in Köln am Sonntag dieses erschütternde Attentat verübt hat? Am Samstagnachmittag, sechs Stunden nach der Tat, wissen die Ermittler noch wenig über ihn. Er stammt aus dem Stadtteil Nippes, ist Deutscher und lebt seit mehr als 15 Jahren in Köln. Nach eigenen Angaben ist er seit mehreren Jahren arbeitslos und lebt von Hartz IV-Geldern. Nachbarn beschreiben den früheren Maler und Lackierer als „unauffälligen Zeitgenossen“, wie der Kriminaldirektor Wagner berichtet.

Für die Polizei war der Mann bislang ein unbeschriebenes Blatt. Doch im Polizeiverhör gibt der 44-Jährige nach Angaben Wagners unumwunden zu, Reker „gezielt und bewusst“ angegriffen zu haben - „aus fremdenfeindlichen Motiven“, wie der Ermittlungsleiter weiter berichtet. Doch was von diesen Aussagen des Mannes zu halten ist, können die Ermittler zunächst schwer einschätzen. Denn auch eine psychische Störung schließen sie bei dem Täter nicht aus.

Hinweise über eine Parteizugehörigkeit gibt es derzeit nicht

Aufschluss soll eine psychiatrische Untersuchung des Mannes bringen, der Medienberichten zufolge auf Augenzeugen des Attentats einen verwirrten Eindruck machte. „Er sagt, er sei vor 20 Jahren politisch aktiv gewesen“, berichtet der Kriminaldirektor. Ob sich der 44-Jährige in einer politischen Partei oder Gruppierung betätigte, wissen die Ermittler zunächst nicht. Derzeit gebe es jedenfalls „keine Hinweise auf eine Parteizugehörigkeit des Mannes“, sagt Wagner. An weiteren Spekulationen über Täter und Motiv will sich der Ermittlungsleiter nicht beteiligen.

„Die Ermittlungen zu Motiv und Gesundheitszustand des Mannes dauern an“, betont Wagner. Dass der 44-Jährige weitere Mittäter hatte, glaubt der Kriminaldirektor nach den ersten Ermittlungsergebnissen nicht. Der Attentäter habe „offenbar alleine gehandelt“. Im Zuge der weiteren Nachforschungen wird nun auch zu klären sein, ob der Täter den Messerangriff womöglich von langer Hand geplant hat. Bedrohungen der Kandidaten im aktuellen Kölner Oberbürgermeister-Wahlkampf gab es jedenfalls nach Erkenntnissen der Behörden bislang nicht, sagt Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers. „Es waren keine Drohungen gegen Frau Reker bekannt.“