In Innenstädten kann es eng werden, wenn ein Haus eine Wärmedämmung bekommen soll. Grün-Rot will das Nachbarrecht so ändern, dass unter Umständen bei einem solchen Vorhaben auch das Nachbargrundstück ein Stück weit überbaut werden kann.

Stuttgart - Das baden-württembergische Nachbarrechtsgesetz soll ökologischer werden. Grün-Rot will es Bauherren erleichtern, ein Haus nachträglich mit einer Wärmedämmung zu versehen. In bestimmten Fällen betrifft das Grenzabstände. Zudem will man dafür sorgen, dass Solar- und Fotovoltaikanlagen ausreichend von der Sonne bestrahlt werden. Dazu werden die Maßgaben über Mindestentfernungen hoch wachsender Bäume geändert.

 

Mit dem novellierten Nachbarrechtsgesetz will Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) die Hürden senken, wenn ein Haus nachträglich eine Wärmedämmung erhalten soll, bisher aber zu nahe an der Grundstücksgrenze steht. Das betreffe vor allem urbane Gebiete. „Wer ein Haus nachträglich von außen dämmen möchte, stößt dabei in eng bebauten Innenstädten oft zu schnell an rechtliche Grenzen“, so der Minister. „Unser geltendes Recht wird der gewachsenen Bedeutung von energetischen Sanierungsmaßnahmen nicht mehr gerecht,“ sagt er. „Im Sinne einer ökologischen Modernisierung unseres Landes ist deshalb eine Änderung geboten.“

Nur geringfügige Behinderung

Für Nachbarn bedeutet die Änderung, dass sie einen Überbau auf ihrem Grundstück dulden müssen, der aufgrund einer nachträglichen Dämmung am Nachbarhaus entsteht. Voraussetzung dafür sei, dass die Dämmung baurechtlich überhaupt zulässig ist und ihr gewünschter Effekt nicht auf einem anderen, zumutbaren Wege schonender erreicht werden kann. Weiter dürfe die Nutzung des Nachbargrundstückes „allenfalls geringfügig behindert werden“. Der Überbau soll maximal 30 Zentimeter in das Nachbargrundstück ragen dürfen.

Umsonst muss ein Nachbar ein solches Zugeständnis auch nicht machen: Es wird die im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte Überbaurente fällig, die ein Bauherr seinem Nachbarn im Falle einer solchen Grenzüberschreitung jährlich im Voraus entrichten muss. Sie ist Verhandlungssache zwischen den beiden Nachbarn, bewegt sich aber im eher zweistelligen Bereich.

Die zweite Neuerung betrifft neue Mindestabstände für neu gepflanzte Bäume innerhalb von Ortschaften. Birken, Kastanien oder Platanen zum Beispiel sollen so weit vom Nachbargrundstück entfernt stehen, dass Fotovoltaik- oder Solaranlagen auf dem Hausdach daneben auch dann noch ausreichend von der Sonne bestrahlt werden, wenn die Pflanzen sich mit der Zeit hochgearbeitet haben. „Das ist keine Absage an die Begrünung von Wohnquartieren, sondern eine Gewährleistung für das Nebeneinander von Fotovoltaik- und Solaranlagen sowie hohen Bäumen“, so Stickelberger.

Längere Verjährungsfristen

Nach bisher geltendem Recht dürfen großwüchsige Baumarten einzeln bis zu sechs Meter an die Grundstücksgrenze heran gepflanzt werden. Bei großwüchsigen Nadelbäumen müssen acht Meter eingehalten werden. Obstbäume, die nicht höher als vier Meter werden, dürfen bis zu einem Meter an die Grenze heranrücken.

Laut Gesetzentwurf will die grün-rote Landesregierung auch die Verjährungsfrist verlängern, innerhalb der man einen Beseitigungsanspruch hat. Bisher kann ein Grundstückbesitzer noch nach fünf Jahren darauf bestehen, dass – zum Beispiel – ein Gehölz entfernt werden muss, das nicht mit dem vorgeschriebenen Grenzabstand gepflanzt worden ist. Die Vorschriften des Nachbarrechts sind dabei sehr genau: „Bei Pflanzungen beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit dem 1. Juli nach der Pflanzung.“ So heißt es im Paragrafen 26.

Wirksam von 2014 an

Stickelberger will die Frist auf zehn Jahre ausdehnen. „Bäume auf dem Nachbargrundstück werden oft erst wahrgenommen, wenn sie so groß sind, dass sie stören“, sagt der Justizminister. Derzeit seien die Beseitigungsansprüche dann aber meist schon abgelaufen. „Will man auch im Hinblick auf eine effiziente Nutzung von Fotovoltaik- und Solaranlagen ein wirksames Nachbarrecht, kann es dabei nicht bleiben“, sagt Stickelberger. Die zehnjährige Verjährungsfrist sei angemessen.

Der Gesetzentwurf ist in der Anhörung. Die Regelungen sollen, wenn sie durch den Landtag sind, Anfang 2014 in Kraft treten.