Seit Monaten ist bekannt, dass der oberste Datenschützer des Landes in den Ruhestand geht. Doch Grün-Rot hat es nicht geschafft, rechtzeitig die Nachfolge zu regeln. Das sagt einiges über den Stellenwert des Themas aus.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Position des Landesbeauftragten für den Datenschutz gilt in Baden-Württemberg nicht gerade als Karrieresprungbrett, sondern eher als Auslaufstation zum Ende des Berufslebens. Für den derzeitigen Amtsinhaber Jörg Klingbeil (65) ist sie ebenso die letzte Verwendung vor dem Ruhestand wie es sie für seinen Vorgänger Peter Zimmermann war. Doch die Sorge, es könne ihnen an Elan oder Engagement mangeln, erwies sich bei beiden Juristen als unbegründet. Im Gegenteil: beide haben für die Aufgabe regelrecht Feuer gefangen und es zu hohem Ansehen gebracht.

 

Der Datenschutz sei „das spannendste Thema meiner beruflichen Laufbahn“ gewesen, bilanzierte Klingbeil, als er Ende Januar seinen letzten Tätigkeitsbericht vorstellte. Seit seinem Amtsantritt habe es stetig an Bedeutung gewonnen – genauso stetig, wie im Zeitalter der Digitalisierung die „Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ gewachsen sei.

Schon unter Oettinger verschlafen

Neben der breiten Erfahrung in der Ministerialbürokratie hat der Einsatz älterer Beamter noch einen positiven Nebeneffekt: da das Datum ihrer Pensionierung lange im Voraus feststeht, lässt sich die Nachfolge langfristig planen. Ließe, muss man indes sagen. Die Praxis sah 2009 anders aus: sechs Wochen, bevor Zimmermann in den Ruhestand ging, hatte die Suche noch nicht einmal begonnen. Die Stelle werde zeitnah ausgeschrieben, antwortete der damalige CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger auf die Frage, wer da geschlafen habe; die kurze Frist sei ganz normal, behauptete das zuständige Innenministerium. Kritiker sahen darin eher einen Beleg für den bescheidenen Stellenwert des Datenschutzes bei den Regierenden.

Nun, in der Endphase von Grün-Rot, scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Die Bedeutung des Landesbeauftragten ist zwar kräftig gestiegen: er ist nicht mehr nur für den öffentlichen, sondern auch für den privaten Bereich zuständig, neuerdings zudem für die per Gesetz garantierte Informationsfreiheit. Entsprechend wuchs die Dienststelle von einst 15 auf etwa 35 Mitarbeiter. Doch die Nachfolge wird unter dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mindestens so verschleppt wie zu Oettingers Zeiten.

Die FDP fragt nach der Besetzung

Eigentlich wäre Jörg Klingbeil schon Ende Februar altershalber in den Ruhestand gegangen; wegen der Landtagswahl hatte er noch zwei Monate dran gehängt, bis Ende April. Er habe „gehofft, dass die Landesregierung rechtzeitig einen Nachfolger präsentiert“, sagte er bei seinem letzten Auftritt im Januar. Zwei Plenarsitzungen blieben dem Landtag ja noch, um diesen zu bestätigen. Doch die Termine verstrichen, ohne dass sich etwas tat, auch die – nicht zwingend notwendige – Ausschreibung ließ auf sich warten. Vergeblich hofften die Bediensteten auf Klarheit über ihren künftigen Chef.

Die wird es so schnell auch nicht geben. Wie 2009 war es wieder die FDP, die sich für die Besetzung der Stelle interessierte. Per Landtagsanfrage erkundigte sich der Abgeordnete und Ex-Justizminister Ulrich Goll, was denn die Nachfolge Klingbeils mache. Ob es schon einen Personalvorschlag gebe, wie das Auswahlverfahren aussehe, welche Qualifikation verlangt werde – Goll wollte es genau wissen.

Auf die nächste Periode verschoben

Die Antwort von Kretschmanns Staatskanzleichef Klaus-Peter Murawski (Grüne) ließe sich mit einem Wort zusammenfassen: Fehlanzeige. „Es wurden Personalüberlegungen angestellt, die jedoch bislang nicht konkret weiterverfolgt wurden“, teilte er mit. Daher habe man sich auch nicht auf einen Vorschlag verständigt. Wie es weitergehe, blieb komplett offen. „Derzeit gibt es keine konkreten Vorschläge“, konstatierte Murawski; es sei auch noch offen, ob die Stelle ausgeschrieben werde. Sein Fazit: „Die Entscheidung sowohl über die Person als auch die konkrete Ausgestaltung des Auswahlverfahrens soll in der kommenden Legislaturperiode getroffen werden.“ Die beginnt bekanntlich am 1. Mai, vier Wochen nach Klingbeils Pensionierung. Dann dürften für die neue Regierung erst einmal wichtigere Personalien im Vordergrund stehen – vorneweg die Besetzung der Ministerposten.

Klingbeil selbst kommentiert die Hängepartie nicht; nach einer weiteren Verlängerung seiner Amtszeit scheint es ihn jedenfalls nicht zu drängen. Wünschenswert fände es der Landesbeauftragte allerdings, wenn künftig mehr Beamte die Dienststelle durchliefen. Der Datenschutz als eine Art Pflichtstation in der Karriere, ein stärkerer Austausch mit der Landesverwaltung – das, sagt er würde „das Datenschutzbewusstsein in den Behörden stärken“. Und vielleicht ja auch bei der Politik.