Privatsphäre! Die böse NSA! Der Autor Hannes Grassegger kann das alles nicht mehr hören. Er stellt sein ökonomisches Manifest für das Internetzeitalter in der Calwer Passage in Stuttgart vor.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Der Journalist und Autor Hannes Grassegger stammt ursprünglich aus Stuttgart. Am 30. Juni erscheint sein Buch „Das Kapital bin ich“ bei Kein & Aber. In dem Werk kritisiert er die Debatte über Überwachung im Netz. Statt zu lamentieren, fordert er, aus der Nachfrage nach unseren Daten Profit zu schlagen. Am Donnerstag stellt er das Buch um 20 Uhr in der Calwer Passage vorab vor.

 
Herr Grassegger, Sie beleuchten das Thema Datenklau im Internet aus ökonomischer Sicht. Wie kam es zu diesem Ansatz?
Privatsphäre! Die böse NSA! Ich kann es nicht mehr hören. Die ganze Überwachungsdiskussion geht am eigentlichen Thema vorbei. Den Großteil unserer Daten sammeln nicht Geheimdienste, sondern Firmen wie Apple und Google. Wir sollten mal über das Geld reden, das sie mit uns verdienen. Allein die persönlichen Daten der Europäer werden bald rund eine Billion Euro pro Jahr wert sein, sagt das Weltwirtschaftsforum WEF in Davos.
Greift es nicht zu kurz, das Thema auf seine ökonomische Verwertbarkeit zu reduzieren?
Wer hat schon wirklich Angst vor der NSA? Die NSA ist ein Riesen-Beamtenapparat, der nicht einmal überblickt, wie viel Tausend Firmen er zur Überwachung von was beauftragt hat, wie US-Geheimdienstchef Clapper zugeben musste. Firmen wie Google sind viel effektiver darin, aus unseren Daten etwas zu machen. Nämlich Geld.
Und davon wollen Sie etwas abhaben.
Die derzeitige Situation erinnert mich an das Mittelalter. Wir erhielten ein Stück Land, um es urbar zu machen – so wie wir heute eine Facebook-Plattform mit unseren Gedanken füllen – aber die Früchte unserer Arbeit bekommt eine Art neuer Lehensherr, Leute wie Zuckerberg. Und wenn wir gegen ihre Gesetze verstoßen, löschen sie unsere Accounts. Wir leben in einer digitalen Leibeigenschaft!
Wie lässt sich das eigene Profil im Netz denn monetarisieren?
Erst einmal müssen wir kapieren, dass die Nachfrage nach unseren Daten riesig ist. Die Firmen können sie aber nur von uns bekommen, denn unsere Daten kommen aus uns, aus unseren Smartphones. Wir müssen uns zu Anbietern machen, statt uns einfach alles abknöpfen zu lassen.
Und wie kam es dazu, dass Sie ein Buch über digitalen Wandel an einem Ort präsentieren, der für die analoge Vergangenheit steht?
Die Calwer Passage ist eine Relikt des Vor-Internet-Zeitalters. Ihre Shops aus Marmor und Glas wurden ruiniert durch Ebay und Zalando. Die Mitinitiatorin des künstlerischen Projekts „Just“ in der Calwer Passagen, Laura Bernhardt, hat am MIT studiert und begreift die digitale Welt. Sie versteht, dass die Passage ein schöner Ort ist, um ein ökonomisches Manifest für das Digitalzeitalter vorzustellen.