Deutschlands zweitgrößter Nachrichtendienst greift nach Frankreich über und wirbt dem dortigen Marktführer den Chefredakteur ab.

Paris - Die deutsche Nachrichtenagentur dapd bleibt auf Expansionskurs und fordert nun auch den französischen Marktführer AFP heraus. Bereits im Oktober will dapd in Frankreich einen eigenen Nachrichtendienst anbieten. Sipa-News soll er heißen.Wie schon bei der Eroberung heimischer Marktanteile legen sich die Deutschen keinen Zwang an. Sie kleckern nicht, sie klotzen. So ist dapd bei der EU-Kommission vorstellig geworden und hat gegen die AFP gewährten staatlichen Subventionen Beschwerde eingelegt. Es folgte ein Personalcoup: Jean-Luc Testault, Chefredakteur für den französischen Dienst, hat angekündigt, fortan für die deutsche Konkurrenz zu arbeiten. Der seit dreißig Jahren bei AFP Beschäftigte soll künftig Sipa-News leiten. Anstatt nach seiner zum 30. Juni auslaufenden Chefredakteurstätigkeit eine andere Aufgabe bei AFP zu übernehmen, ziehe er es vor, Deutschlands zweitgrößte Presseagentur beim Aufbau eines konkurrierenden Dienstes zu unterstützen, ließ Jean-Luc Testault wissen.

 

Bei AFP ist die Stimmung seitdem, gelinde gesagt, gereizt. Der AFP-Vorsitzende, Emmanuel Hoog, hat den Abtrünnigen erbost vor die Tür gesetzt. Die dapd-Offensive kommt obendrein zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Der finanzielle Spielraum ist gering. AFP hat ein Darlehen über elf Millionen Euro beantragt. Testault ist nicht der Erste, der zu dapd überläuft. Abwerbespezialisten des deutschen Nachrichtendienstes haben schon in der Vergangenheit bei der Konkurrenz gewildert. So wurde etwa der Leiter des dpa-Landesbüros Ost, Rolf Westermann, erfolgreich zu dapd gelotst. Westermann wird dort zum 1. Juli als Chef des News-Desks und stellvertretender Chefredakteur antreten. Zuvor hatten sich die dapd-Bosse Peter Löw und Martin Vorderwülbecke im Januar bei der deutschen AFP-Tochter sid bedient und ihr drei leitende Angestellte abspenstig gemacht.

Den Franzosen bereitet das rüde Vorgehen Unbehagen

Der in einem mit Funkantennen bestückten Gebäude nahe der Pariser Börse residierende französische Nachrichtendienst verfolgt das respektlose bis rüde Vorgehen des Konkurrenten schon länger mit großem Unbehagen. Im Juli 2011 hatte dapd erstmals spektakulär nach Frankreich ausgegriffen und die Fotoagentur Sipa-Press übernommen. Es folgte im April dieses Jahres der Erwerb von Diora-News, einem auf die Verbreitung von Mobilfunkinhalten spezialisierten Unternehmen.

Der nächste Schritt auf dem Weg zum eigenen französischen Nachrichtendienst ist gut drei Monate vor dem geplanten Start von Sipa-News kein Geheimnis mehr. Wie in Deutschland wollen Löw und Vorderwülbecke auch in Frankreich den Landesdienst von Associated Press (AP) übernehmen. Die Verhandlungen sind bereits weit gediehen. Sollten sie von Erfolg gekrönt sein, hätte das Duo doppelten Grund, die Champagnerkorken knallen zu lassen. Nicht nur, dass damit der Weg frei wäre, um mit zehn Diora-News-, zwanzig AP-Mitarbeitern sowie dreißig weiteren im Lauf des Sommers zu rekrutierenden Journalisten Sipa-News aus der Taufe zu heben.

Chefs von der Konkurrenz

Die Deutschen hätten auch geschafft, woran der frühere AFP-Vorsitzende, Bertrand Eveno, gescheitert ist. Fünf Jahre ist das her. Der französische AP-Dienst steckte damals in Schwierigkeiten, schrieb bei drei Millionen Euro Umsatz 1,5 Millionen Euro Verlust. Eveno sah die Chance, das Unternehmen günstig zu erwerben. Er tat sich mit dem Investor Vincent Bolloré zusammen, präsentierte ein Übernahmeangebot. Doch die Redaktion der AP-Filiale legte sich quer. Entnervt gab Eveno auf. Eric Monjalous, stellvertretender Sipa-Generaldirektor, zeigt sich überzeugt, dass die dapd-Chefs erfolgreicher sein werden. „Für den Informationsfluss in Frankreich ist es gut, dass es eine Alternative zu AFP geben wird“, sagt Monjalous. Er kennt sich aus. Monjalous war Vertriebsleiter bei AFP.