Christine Kaufmann hatte früh Erfolg – und durfte erst mit Fassbinder und Dietl wieder zeigen, was sie konnte.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Nach dem Krieg brach im ehemals von Joseph Goebbels verantworteten deutschen Kino der Frieden auf eine Weise aus, dass es schon wieder unheimlich schien. Hauptbeteiligt daran war Christine Kaufmanns erster Regisseur, Harald Reinl, geboren in der Operettenstadt Bad Ischl. Reinl hatte als Assistent bei Leni Riefenstahl gedient. Seine Naziprägung legte er nie wirklich ab („Solange du lebst“ von 1955 bekannte sich widerwärtig offen zur Verherrlichung der Legion Condor). Zuerst jedoch lehrte er sein Publikum klischierend das Verdrängen („Der Herrgottschnitzer von Ammergau“), später, in den Edgar-Wallace-Verfilmungen, das kommode Gruseln. Fast zwangsläufig überantwortete Horst Wendlandt ihm die Karl-May-Produktionen, wo es wieder um Ehre und Treue gehen konnte. Aber halt unterm opalen Jugoslawienhimmel.

 

Dass alles, alles wieder gut werde, war Reinls erster Kinokatechismus nach der Katastrophe gewesen, und am perfidesten setzte er diese Haltung in der Verfilmung vom „Rosen-Resli“ nach der Novelle von Johanna Spyri um, uraufgeführt im Übrigen in Stuttgart 1954, kurz bevor Deutschland in der Schweiz auch noch Fußball-Weltmeister wurde. Auf wundersame Weise werden im „Rosen-Resli“ alle Dummen gescheit, alle Bösen lieb und die kranke Sorgemutter (Käte Haack) natürlich gesund: dank dem Rosen-Resli. Christine Kaufmann aus der Steiermark, Künstlerkind, geboren 1945, spielte diesen blonden, hilfreich-guten Mädchentraum in majestätischer Bergeswelt derart herzig, als sei sie die Nächstenliebe persönlich. So eine merkten sich die Deutschen gerne.

Kaufmann heiratete Tony Curtis, bekam zwei Töchter, und ließ sich schnell wieder scheiden

Einmal im Geschäft, erzwangen die Produzenten von Christine Kaufmann – deren Vita eine Zeit lang deutliche Parallelen zu de Romy Schneiders aufwies – eine hübsche Verlogenheit nach der anderen: „Wenn die Alpenrosen blüh’n“, „Die Winzerin von Langenlois“, „Der singende Engel von Tirol“ (wovon die Rundfunkanstalten manchmal heute an Sonntagnachmittagen noch leben), so etwas ging im Dutzend billiger und führte sie in die erste richtige europäische Traumfabrik, Cinecittà. Kaufmann machte „bella figura“, hatte aber das frühe Erwachsenwerden im Kopf. Mehr als volljährig wurde sie mit „Stadt ohne Mitleid“ von Gottfried Reinhardt (Sohn von Max Reinhardt, Assistent von Ernst Lubitsch). „Town Without Pity“, in Bamberg gedreht, zeigte Gewagtes: Kirk Douglas verteidigt vor Gericht vier amerikanische Soldaten, angeklagt wegen der Vergewaltigung einer Schülerin. Kaufmann erspielte dem jungen Mädchen, gleichzeitig instinkthaft und handwerklich brillant, Fragilität und Gefasstheit, bis der Provinzmob – Reinhardt hatte einen realistischen Blick auf das tatsächliche Nachkriegsdeutschland – sie in den Tod treibt. Stanley Kubrick trug Kaufmann sofort die Hauptrolle in der Nabokov-Verfilmung „Lolita“ an, wie in den nicht zufällig „Scheinweltfieber“ genannten Memoiren steht, aber so sah sie sich nicht. Stattdessen heiratete sie Tony Curtis, bekam zwei Töchter, ließ sich aber, wie noch dreimal danach, schnell wieder scheiden: Rosen-Reslis Metamorphosen entzückten daheim weniger.

Mit allem Mut zur Hässlichkeit zeigte sie sich in „Monaco Franze“

Erst Rainer Werner Fassbinder (in „Lili Marleen“ und „Lola“) und Peter Zadek auf dem Theater besetzten Christine Kaufmann endlich wieder in Rollen, durch die ihr mehr als lediglich dekorative Bedeutung zukamen. Hauptsächlich aber blieb der sphinxischen Schauspielerin Christine Kaufmann ab und zu eine „Derrick“-Folge. Schluss mit solcher Unterforderung machte ernsthaft erst Helmut Dietl, als er sie in der unsterblichen Fernsehserie „Monaco Franze“ als das Gegenteil ihrer Fama inszenierte: Mit allem Mut zur Hässlichkeit (Zahnspange inklusive) erdachte er für Christine Kaufmann die Olga, hier Hilfskraft der Schwabinger Antiquitätenhändlerin Annette von Soettingen, deren notorisch fremdgehender Ehemann, eben der Monaco, von Kaufmann stets mit Blicken gestraft wird, die töten könnten, zumal wenn er ihrem Freund Siegfried die Opernkarte wegnimmt.

Maunzig, schräg und mit fast valentinesker Lakonie spielte Christine Kaufmann ihren Part, ehe sie Filmen allmählich als nebensächlich erachtete. Bis auf Gastauftritte nahm sie nicht mehr viel an, stattdessen widmete sie sich der „Körperharmonie“ (wie eines ihrer Bücher in den Achtzigern bereits hieß), dem Zen-Studium nebst anderen esoterischen Erfahrungen, sowie dem Verkauf von Kosmetika, die suggerieren sollten, es könne fast jeder so vergleichsweise ansehnlich altern wie Kaufmann. Späte Interviews verrieten eine Tendenz bei ihr, die Welt zu betrachten, als habe es der Mensch mit einer weitgehend undornenhaften Existenz zu tun. Dem war in ihrem Fall wirklich nicht so. Christine Kaufmann hatte lange Blutkrebs. In München ist sie gestorben, 72 Jahre alt.