Der Schauspieler Franz Jarnach, bekannt als „Schildkröte“ in Olli Dittrichs Improvisations-Comedy „Dittsche“, ist gestorben. Ein Nachruf.

Stuttgart - In den Buckower Elegien von Bertolt Brecht, geschrieben am Schermützelsee, als die DDR nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 zum ersten Mal nachhaltig versucht hatte, die eigenen Leute mundtot zu machen, ist es das kleinste Gedicht: „Das kleine Haus unter Bäumen am See / Vom Dach steigt Rauch / Fehlte er / Wie trostlos dann wären / Haus, Bäume und See.“ Selten hat jemand besser gesagt, was der Mensch ausmacht: nämlich alles. Was den Menschen ausmacht, ist das Zentralthema von Dittsche in „Dittsche – das wirklich wahre Leben“, einer genial hinimprovisierten Sendung aus der Grill-Station im Eppendorfer Weg in Hamburg, die Olli Dittrich mit sich selbst in der Hauptrolle dem WDR geschenkt hat. Der arbeitslose Dittsche, immer in Bademantel, Hemd und Gummilatschen, hat dabei vor dem Imbisswirt Ingo stets einen großen Auftritt. Er ist, wenn nicht mehr, mindestens Haus, Bäume und See gleichzeitig und in einer Person: ein Parlandopanorama. Der Rauch aber war (wie man jetzt sagen muss, denn er ist tot): Schildkröte, der vom Musiker Franz Jarnach – an dieser Stelle ist kein anderes Wort möglich – verkörpert wurde. Schildkröte saß an einem Tisch, qualmte und schwieg. Ab und zu, wenn Dittsche zu Hochnervform aufgelaufen war, rang er sich ein „Halt die Klappe, ich hab’ Feierabend“ ab. Wie nebenbei demontierte Schildkröte eherne Fernsehgesetze, die eigentlich nach permanenter Aufmerksamkeitserzeugung verlangen. Seine Message hingegen war die freundliche Verweigerung, und Jarnach (der als Berufsmusiker Mr. Piggi hieß), figurierte als Idealbesetzung. Nun hat er ausgeschwiegen. Franz Jarnach, Jahrgang 1944, verließ das Haus bereits am Sonntag. Versteht sich: in aller Stille.