Horst Koegler war viele Jahre der Stuttgarter Zeitung als Redakteur und Autor verbunden. In Deutschland war er einer der bekanntesten Ballettkritiker.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Horst Koeglers Namenskürzel war „oe“ – und symbolisierte, dass es etwas zu schützen gelte: eine höchst rare Buchstabenkombination und die von ihm vertretene Sache. Fast zwangsläufig – früher wurden Autorennamen seltener ausgeschrieben – musste man beim Lesen aufmerken; „oe“ war schwungvoll originell. Und wie das Kürzel, so der Mann.

 

Visuell herangeholt, sieht man Horst Koegler, 1927 geboren in Neuruppin, vordergründig zurückgelehnt sitzen: vor einem aufgeklappten Aktenkoffer, in dessen Tiefen er am frühen Nachmittag bereits Teile der Tagesernte eingebracht hatte; „oe“ war nicht nur ein überaus fleißiger, disziplinierter Schreiber, sondern auch Artikeljäger und Sammler. Berühmt war seine unlängst der Staatlichen Ballettschule Berlin vermachte Bibliothek, wie überhaupt so allerhand staunenswert bleibt an ihm.

Im Berlin der fünfziger Jahre

Vor allem seine selbstverständlich gehandhabte Internationalität, lange vor der Netzwerkerzeit: Koegler, Nachkriegsstudent der Musikwissenschaften, wechselte im Berlin der fünfziger Jahre schnell auf die andere Seite ins Parkett und orientierte sich an der britisch-amerikanischen Szene. Da wie dort hatte das Ballett bereits ein Ansehen, das Horst Koegler ihm in den folgenden Jahrzehnten hierzulande erst erschreiben musste: von 1959 an in wachsendem Maße für die Stuttgarter Zeitung, deren Redakteur er 1977 wurde. Über vier Dekaden lang war es dann – neben Klaus Geitel und Jochen Schmidt – fast allein „oe“, der den Deutschen das Tanzen näher- und manchmal buchstäblich beibrachte, Balanchine und Petipa, Noverre und Fokin, Tudor und Ashton, und nicht müde wurde, das Stuttgarter Ballett-„Wunder“ unter John Cranko zu analysieren.

Dem Hymnischen nicht abgeneigt

Rezensionen im munteren Englisch

Flüssig, wie er sprach, mit diesem leicht singenden, freundlichen Tonfall, schrieb er: dem Hymnischen nicht abgeneigt, aber dann doch wieder ironisch, auch leicht selbstironisch, zurücktretend vor der Glorifikation. In ebenfalls sehr munterem Englisch gingen Koegler’sche Rezensionen und Betrachtungen (über – wer zählt die Namen und Ereignisse? – Otto Klemperer, Lotte Goslar oder Mary Wigman, nur so zum Beispiel) tatsächlich in die Welt, via „Ballet International“, „Dance“ und gar der „Encyclopedia Britannica“. Sein bis heute Maßstab setzendes „Friedrichs Ballettlexikon von A–Z“ von 1972, das ein paar Jahre später im „Concise Oxford Dictionary of Ballet“ aufgegangen ist, beförderte ihn noch einmal in einen höheren Rang – Horst Koegler war eine Instanz, und dass er Hans van Manen, Heinz Spoerli und William Forsythe miterfunden hat, ist eine Binse.

Nie gefiel er sich darin, nach Premieren verbrannte Erde zu hinterlassen. Er zählte – von Marcia Haydée bis hin zu Martin Schläpfer – lieber die Häupter seiner Lieben, auch wenn er ihnen Fehltritte attestiert hatte. Und als die Tageszeitungen (bitte: auch diese!) die klassische Ballett- und Tanzbetrachtung für demodé zu halten begannen, machte sich der längst Pensionierte, aber noch Hochaktive daran, im Internet die Portale (das sogenannte koeglerjournal im www.tanznetz.de) zu öffnen.

Für sein Leben gern hat er Partys gefeiert, war gerne (und gut als) Gastgeber. Eine Schule begründen wollte er nie. Dazu war Horst Koegler zu gerne selbst ein Lernender, neugierig, auf ansteckende Weise mitteilsam bis zum Schluss. Gestern ist „oe“, der seine zwei Buchstaben und das Ballett über alle sich ändernden Zeitläufte hochansehnlich gehalten hat, in Stuttgart im Alter von 85 Jahren gestorben. Bye-bye, „oe“!