Die Mischung ist absonderlich – und funktioniert. In der Chapel im Stauferpark arbeiten Anhänger unterschiedlicher SzenenHand in Hand, und halten gemeinsam den Kulturbetrieb nicht nur am Laufen, sondern machen ihn vor allem bunt.

Göppingen - Wer sich ein bisschen im alternativen Teil des Göppinger Nachtlebens auskennt, dem sind sie ein Begriff: die Kryptonite, mit bunt gemischten Hits der vergangenen Jahrzehnte für junge und nicht mehr ganz so junge Tanzwütige; die Church Noir, mit Musik, die man sonst kaum in Discos zu hören bekommt: Gothic, Wave, Mittelalter oder Noise zum Beispiel. Der Verein Fabrik für Kunst und Kultur (FKK) lockt mit seinen vielfältigen Veranstaltungen schon lange ein sehr gemischtes Publikum in den Stauferpark, sowohl was den Musikgeschmack angeht, wie auch das Alter. Demnächst wird es in der Chapel noch ein bisschen bunter – dabei ist es noch gar nicht lange her, dass viele dachten, der Fabrikverein wäre am Ende.

 

Am 9. Dezember gehört die Chapel zum ersten Mal eine Nacht lang den Fans von Faschingspartys und Guggenmusik. Die Voodoo-Guggen, die jüngste Abteilung des FKK veranstaltet dann von 19.30 Uhr an die erste Voodoo-Church-Night. Die Gruppe spielt zum ersten Mal ihr neues Programm, präsentiert ihr neues Häs und sie hat zahlreiche andere Guggen-Gruppen eingeladen, die im Laufe der Nacht ebenfalls auf der Bühne stehen werden. „Damit sind wir wahrscheinlich die erste Gruppe weit und breit, die ein Guggentreffen in einer ehemaligen Kirche organisiert“, sagt Michael Schäfer höchst zufrieden.

Das bunteste aber nicht das einzige Beispiel

Die Guggen sind vielleicht das bunteste und lautstärkste, aber nicht das einzige Beispiel für eine noch stärkere Öffnung des Fabrikvereins. Seit dieser Chapel und Krypta für eine umfangreiche Brandschutzsanierung schließen musste, setzt der FKK noch stärker auf die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen. Die Erweiterung der Kulturarbeit des Vereins ist Teil einer Vereinbarung mit der Stadt, die den Verein mit rund 500 000 Euro bei der Sanierung unterstützte. Um zu dieser Vereinbarung zu kommen, hatten die Ehrenamtlichen hart kämpfen und viel Überzeugungsarbeit im Gemeinderat leisten müssen. Den vielen Stadträten war der Verein, trotz seiner vielen Veranstaltungen, bis zu dem Hilferuf kaum bekannt gewesen.

In der vergangenen Woche haben einige der Aktiven im Gemeinderat die erste Bilanz seit der Wiedereröffnung der Chapel im Mai gezogen – und mit ihrem Bericht auch die letzten Skeptiker überzeugt. Er sei seinerzeit zwar sehr skeptisch gewesen, inzwischen „habe ich mich aber gerne eines Besseren belehren lassen“, sagte etwa der CDU-Stadtrat Achim Fehrenbacher.

Die ersten Hochzeiten wurden bereits gefeiert

Denn die Vorsitzende Tamara Priwitzer berichtete den Stadträten nicht nur von den prall mit Veranstaltungen gefüllten Wochenenden und entsprechend gut gefüllten Kassen, mit denen der Verein auch künftig seine Pacht zahlen können wird. Sie zeigte ihnen auch, dass die Erweiterung des Konzepts bereits erste Früchte trägt: So vermietet der Verein die Veranstaltungsräume inzwischen auch für private Feiern, die ersten Hochzeiten wurden bereits in der ehemaligen Soldatenkirche gefeiert. Und der Verein verzeichnet einen Mitgliederzuwachs – entgegen der Befürchtungen mancher Stadträte und trotz der langen Flaute wegen der Renovierung. Das zeigen unter anderem auch die Guggen, die bereits seit Januar eine eigene Abteilung innerhalb des Vereins bilden.

Die Vodoo-Guggen sind beim Fabrikverein vorstellig geworden, weil sie ihren früheren Proberaum verloren haben und auf der Suche nach einem neuen Ort waren, an dem sie Krach machen und alle 16 aktiven Mitglieder unterbringen konnten. Inzwischen proben sie jeden Sonntagabend von 17 Uhr an in der Chapel. Außerdem helfen sie bei Veranstaltungen wie der Kryptonite, der Church Noir oder anderen mit, etwa beim Thekendienst, an der Kasse oder beim Organisieren. „Und bei unserem Guggentreffen stehen dafür die anderen FKK-Mitglieder für uns hinter dem Tresen und helfen“, berichtet Schäfer. „Eine Hand wäscht die andere.“

Von heute auf morgen geschlossen

Verein:
Der Verein Fabrik für Kunst und Kultur (FKK) ist aus einer Gruppe Ehrenamtlicher hervorgegangen, die einst die heute legendären Partys in den längst abgerissenen Hallen der Firma Bellino veranstaltet hatte. Nach dem Abriss pachtete der Verein von der Stadt die ehemalige Soldatenkirche in Stauferpark. In der Räumen, der Chapel und der Krypta im Untergeschoss, organisiert der FKK regelmäßig Konzerte und Discos, Ausstellungen, Kinoabende und Messen. Er bot auch vielen jungen Bands und Künstlern ein Forum. Die bekannteste Veranstaltung war und ist die Bellino-Party am 25. Dezember.

Brandschutz:
Bei einer Brandschau kamen jede Menge Mängel ans Licht: zu schmale Türen, kein Notausgang, eine problematische Elektrik und anderes. Die Räume mussten von heute auf morgen geschlossen werden. Erst nach langem Hin und Her konnte der Verein die Stadt überzeugen, bei der teuren Sanierung mit 500 000 Euro zu helfen. Einen großen Teil der Arbeiten übernahmen die Vereinsmitglieder in ihrer Freizeit. Während die Krypta bereits nach einigen Monaten wieder eröffnet werden konnte, blieb die Chapel rund drei Jahre lang zu, bis Mai dieses Jahres.