Trainer Bruno Labbadia findet, dass kaum ein Club seine Talente so intensiv fördert wie der VfB. Gerrit Müller sieht das anders.  

Stuttgart - Es müllert beim VfB Stuttgart. Gerrit Müller (27) schmunzelt, wenn er an diese Schlagzeile denkt, die 2003 die Runde machte. Die Vergleiche mit seinem legendären Namensvetter Gerd Müller drängten sich damals ja auch auf, denn Gerrit Müller schien auf den Spuren des einstigen "Bombers der Nation" zu wandeln. Auf dem Wasen war er jedenfalls der große Hoffnungsträger. Aber manchmal kommt alles anders, als man denkt. Gerrit Müller nimmt Platz, bestellt einen Cappuccino und erzählt die Frustgeschichte seiner verhinderten Karriere.

 

Dabei war der Start eine Erfolgsgeschichte. 1999 wechselte er im Alter von 15 Jahren aus Spaichingen zum VfB. Seine Anfangszeit sei stressig gewesen, sagt Müller. Im ersten Jahr wohnte er noch bei seiner Oma in Heilbronn und musste jeden Tag mit dem Zug zum Training fahren. Das änderte sich erst, als er ein Zimmer im vereinseigenen Jugendhaus erhielt, wo zu dieser Zeit auch Mario Gomez wohnte.

Schon in der A-Jugend fand Müller professionelle Bedingungen vor, weil das Kooperationsmodell des VfB mit dem Wirtemberggymnasium gerade angelaufen war. Dadurch konnte er sogar morgens trainieren. "Es gibt keinen Club, der seine Spieler im Nachwuchsbereich mehr fördert als der VfB", sagt Müller. Es ging weiter aufwärts für ihn. Schnell wurde er auch im deutschen U-18-Nationalteam zum Torjäger. In Stuttgart gewann er 2003 die Deutsche A-Jugendmeisterschaft - mit seinem Sturmpartner Mario Gomez.

"Ich könnte heute auch da sein, wo Mario ist"

Aber dann kam der Bruch. "Ich könnte heute auch da sein, wo Mario ist", sagt Müller. Ganz oben also, aber das ist er nicht - und er meint auch zu wissen, warum. "Es gibt Trainer, die einen mögen, und andere, bei denen das nicht so ist." Reinhold Fanz gehört für ihn eindeutig zur zweiten Sorte.

Deshalb ist die Erfolgsgeschichte an dieser Stelle zu Ende. Es folgt eine Frustgeschichte, obwohl Müller den Sprung von der A-Jugend zur Amateurmannschaft auf Anhieb schaffte. In der Hinrunde ließ ihn Fanz so gut wie immer spielen, doch danach plötzlich gar nicht mehr.

Wie ihm erging es auch den anderen, die dem Jugendalter gerade entwachsen waren. "Alle hatten das Gefühl, dass es Herr Fanz auf unseren Jahrgang abgesehen hat. Wir fragten uns nur, warum er sich so verhält und warum er das macht", sagt Müller. Eine Antwort konnte ihm auch der Assistenztrainer Rainer Widmayer nicht geben. An ihn habe er appelliert, sagt Müller, "aber er war genauso machtlos wie wir. Schließlich wollte er seinen Job nicht verlieren."

Ständige Querelen im Verein

Klar war für Müller, dass diese Sache "ein Politikum beim VfB" gewesen ist. Denn Reinhold Fanz war nur da, weil es der Profitrainer Felix Magath wollte. Deshalb habe es auch ständig Querelen im Verein gegeben, sagt Müller. Noch heute kann er sich die vielen Widersprüche nicht erklären. So habe ihm Magath einmal in einer halbstündigen Unterredung versichert, dass er momentan das größte Talent beim VfB sei, sagt Müller. Bis zu Fanz ist das jedoch nicht vorgedrungen, obwohl der ein Gefolgsmann von Magath war.

Der Club reagierte nicht. Erst nach dem Abgang von Magath im Juni 2004 wurde Fanz durch Rainer Adrion ersetzt. Der konnte sich zunächst aber kaum um die einzelnen Talente kümmern, "weil Fanz einen Scherbenhaufen hinterlassen hatte. Bei uns herrschte Chaos", sagt Müller. Dennoch erhielt er unter dem Trainer Matthias Sammer die Gelegenheit, die Saisonvorbereitung mit den Profis zu bestreiten. "Aber da war der Karren schon verfahren. Ich hatte kein Selbstbewusstsein mehr. So habe ich mich auch präsentiert", sagt Müller.

Das Chaos setzte sich fort. Im Training der Amateure seien bis zu 35 Spieler auf dem Feld gestanden, da bei den Profis viele Leute überzählig waren und und zu Adrion geschickt wurden - als Folge einer Transferpolitik, "die wir alle nicht kapiert haben", sagt Müller. Hatte der Verein zuvor aus finanziellen Zwängen auf eigene Leute wie Andreas Hinkel und Kevin Kuranyi bauen müssen, war jetzt wieder Geld in der Kasse. Der VfB kaufte und kaufte. "Dabei hörte man immer, dass der Club auf junge Spieler setzen würde, aber genau das Gegenteil war richtig. Unser Weg nach oben wurde blockiert", sagt Müller.

Kein Vertrauen mehr zum VfB

Er wundert sich immer noch. Im Nachhinein hätte er ein Tagebuch schreiben sollen über das, was damals vorgefallen sei: "Das glaubt einem sonst kein Mensch." Adrion wollte ihn zwar halten, "aber ich hatte kein Vertrauen mehr zum VfB und wollte nur weg", sagt Müller. "Die ersten beiden Jahre nach der Jugend sind entscheidend für die weitere Entwicklung - und in dieser Phase habe ich vom Verein keine Unterstützung bekommen."

Er landete beim Karlsruher SC, wo er sich aber zweimal das Kreuzband riss. Über die SF Siegen kam er 2008 zu Dynamo Dresden. Im Mai ist er mit dem Team in die zweite Liga aufgestiegen. Im Relegationsspiel gegen Osnabrück zog er sich jedoch erneut einen Kreuzbandriss zu. Die Reha absolviert er in den nächsten drei Monaten beim VfB. Vertrauen hat Müller aber nur noch in die medizinische Abteilung des Clubs.

Die Transfers 2003 - 2005

Konkurrenzkampf Als Gerrit Müller von 2003 bis 2005 für den VfB II spielte, hat der Club insgesamt 18 Spieler für die Profis verpflichtet: Markus Babbel (Liverpool), Daniel Bierofka (Leverkusen/600.000 Euro), Serge Branco (Frankfurt), Cacau (Nürnberg), Mario Carevic (Al Ittihad/250.000), Centurion (Sarsfield/2 Millionen), Elson (Palmeiras/1,5 Millionen), Jesper Grönkjaer (Atletico Madrid/3 Millionen), Dirk Heinen (Denizlispor/100.000), Markus Husterer (Bayern II), Philipp Lahm (Bayern II, ausgeliehen/200.000), Martin Stranzl (1860 München/650.000), Marco Streller (Basel/3 Millionen), Imre Szabics (Graz), Jon Dahl Tomasson (AC Mailand/7,5 Millionen), Jurica Vranjes (Leverkusen), Hakan Yakin (Basel/2,5 Millionen), Boris Zivkovic (Portsmouth, 100.000).