Theaterleute und Eltern haben bei einer Diskussionsrunde im Apollo-Theater in Stuttgart die strengen Auflagen für junge Musicaldarsteller kritisiert. Das Vorbild für die Kunst sollte die Förderung des Leistungssports sein, hieß es.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - In Deutschland krankt es bei der Nachwuchsförderung im Musical. Darin waren sich die Teilnehmer einer Diskussionsrunde einig, die sich auf Einladung der Proskenion-Stiftung im Apollo-Theater im SI-Centrum in Möhringen getroffen haben. Die Stiftung engagiert sich für die Begabtenförderung von Kindern und Jugendlichen in den Darstellenden Künsten.

 

In die Kritik geriet die gesetzliche Vorschrift, wonach Kinder lediglich an 30 Tagen im Jahr (inklusive Proben) in Theaterproduktionen mitwirken dürfen. Franziska Strasser, Mutter des neunjährigen Zinedine, der die Hauptrolle des Michael im Musical „Mary Poppins“ spielt, plädierte dafür, stärker auf die Kinder selbst und deren Bedürfnisse zu hören. Als Mutter von vier Söhnen, die alle bei Stage-Produktionen mitwirken, ist sie überzeugt, dass für ihre Kinder wöchentlich bis zu zwei Aufführungen ohne Probleme umsetzbar wären. Das Theaterengagement führe zu einer „fokussierten Arbeitshaltung“ und wirke sich sehr positiv auf die schulischen Leistungen ihrer Söhne aus, sagte sie. Mehr Unterstützung wünscht sich die Mutter seitens der Schulen bei der Koordination von Theater und Schule. Sohn Zinedine bestätigte mit leuchtenden Augen, er stünde gern öfter auf der Bühne.

Kritik an mangelnder Begabtenförderung

Constanze Müller, die Leiterin des Apollo-Theaters, skizzierte die besonderen logistischen, künstlerischen und rechtlichen Bedingungen, denen eine Produktion mit Kinderdarstellern unterliege. So gelten erweiterte Sicherheitsbedingungen. Besonders geschultes Personal muss die künstlerische Betreuung der jungen Darsteller übernehmen. Das in Deutschland strenge Kinder- und Jugendarbeitsschutzgesetz bringt nach den Worten von Müller „einen enormen faktischen und logistischen Aufwand für den Spielbetrieb des Musicals“ mit sich.

Gil Mehmert, der Autor und Regisseur des Musicals „Das Wunder von Bern“ unterstrich, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich weniger Angebote qualifizierter Schulungen in Schauspiel, Musiktheater und Tanz gebe. Hier müssten sich die Schulen professioneller aufstellen, forderte er. Musicaldarsteller Victor Petersen (spielt den Professor Abronsius in „Tanz der Vampire“) hätte sich als Jugendlicher, der in einer Kleinstadt aufgewachsen ist, guten Tanz- und Gesangsunterricht gewünscht. „Solche Angebote waren aber bei uns nicht vorhanden“, sagte er.

Moderator Lars Göhmann, der Kuratoriumsvorsitzende der Proskenion-Stiftung, forderte eine „qualifizierte Nachwuchsförderung für Kinder und Jugendliche in den Bereichen Schauspiel, Gesang, Tanz sowie Musik“. Dafür seien geeignete Orte und qualifizierte Dozenten notwendig, die Begabungen entdecken und fördern könnten. Das Vorbild dafür sollte der Leistungssport sein, war im Apollo-Theater zu hören, wo es keine strenge 30-Tage-Regelung gebe.