Im Norden Deutschlands finden sich schon jetzt immer weniger freiwillige Brandbekämpfer. Auch im Südwesten zeichnet sich ab, dass deren Zahl deutlich zurückgeht. Der Verbandspräsident wünscht sich eine große Nachwuchskampagne.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Noch ist die Feuerwehr-Welt in Baden-Württemberg in Ordnung. Ihr Stellenwert ist im Südwesten deutlich höher als etwa in Niedersachsen. Die Erosion an der Basis des Feuerwehrwesens, die von Ehrenamtlichen getragen wird, sei in einigen nördlichen Bundesländern schon viel weiter fortgeschritten, betont Frank Knödler, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes. Für den Südwesten gelte: „Es scheint, dass der Effekt eines starken Rückgangs nach unten noch nicht eingetreten ist.“

 

108 500 Feuerwehrleute hat der Landesfeuerwehrverband Ende vergangenen Jahres gezählt – von insgesamt 1,3 Millionen aktiven Feuerwehrleuten in Deutschland. Nur der kleinste Teil von ihnen arbeitet hauptberuflich in den Berufsfeuerwehren der Großstädte ab 100 000 Einwohnern. Die Werkfeuerwehren beschäftigen noch einmal 6300 Menschen. Das bedeutet, fast überall streifen sich im Alarmierungsfall Ehrenamtliche die Einsatzjacke über, verabschieden sich aus dem Job oder der Freizeit und rücken zügig aus. Zehn Minuten nach einer Alarmierung am Einsatzort zu sein – das ist die ehrgeizige Formel, die sich der Feuerwehrverband im Einklang mit dem Innenministerium verordnet hat. Nicht immer gelingt das, aber sehr oft.

Die Jugendabteilungen in den Städten und Gemeinden werden sorgfältig gepflegt

Die Jugendfeuerwehren – in Baden-Württemberg gehören ihnen knapp 29 000 Mitglieder an – spielen in diesem Gefüge eine wichtige Rolle. Sie lernen und bilden die Einsatzgruppen von morgen. Entsprechend sorgfältig werden die Jugendabteilungen in den Städten und Gemeinden gepflegt. Es geht um mehr als sinnvolle Feizeitgestaltung. „Wir machen eine glasklar staatliche Aufgabe“, sagt Knödler. Es gehe um nichts weniger als um das Funktionieren der Gesellschaft. Wer das in jungen Jahren schon verinnerlicht hat, bleibt erfahrungsgemäß bei den Brandbekämpfern und ist stolz darauf.Die öffentliche Anerkennung für dieses anspruchsvolle Ehrenamt ist aber nicht immer so ausgeprägt, wie es den Engagierten guttäte. Umso wichtiger sind Auszeichnungen wie der Conrad- Dietrich-Magirus-Preis, der jetzt am Wochenende wieder in Ulm vor 600 geladenen Gästen verliehen wurde. Im vergangenen Jahr waren dem Ruf des Branchen-Industriemarktführers sogar die Sportpromis Uli Hoeneß und Ex-Diskuswerfer und Olympiasieger Lars Riedel gefolgt; zum „Feuerwehrteam des Jahres“ hatten Experten die Kinder- und Jugendfeuerwehr Bierden bei Bremen gekürt.

In diesem Jahr konnte sich die Jugendfeuerwehr Deisel aus Nordhessen gegen die löschende Konkurrenz durchsetzen und gewann damit eine Reise zur größten städtischen Feuerwehr der Welt, dem Fire Department of the City of New York.

In der Jury saß auch Jan-Erik Hegemann, Chefredakteur der in Bremen produzierten Zeitschrift „Feuerwehr-Magazin“. Der „Oscar“ des Feuerwehrwesens sei wichtig geworden, sagt er, auch weil die Bedeutung der Branche während des Jahres oft nicht angemessen wahrgenommen werde. Überall fehle es am Geld. Oft trügen die Feuerbekämpfer eine „Einsatzjacke, die vor ihnen schon drei andere angehabt haben“. Gerade im Norden der Republik litten die Kommunen.

Berufstätige müssten erheblich mobiler sein als vor Jahrzehnten

Vor allem bei der Nachwuchsgewinnung tun sich immer größere Probleme auf. Das hat mit dem demografischen Wandel zu tun und mit dem üppigen Angebot an alternativen Freizeitbeschäftigungen. „Die Feuerwehren konkurrieren mit dem Sportverein genauso wie mit der Musikschule“, sagt der Fachjournalist Hegemann. Die Folge: „Die Älteren scheiden aus und von unten kommen nicht genug nach.“ Das ist nicht das einzige Problem. Auch bei den Best-Agern unter den Feuerwehrleuten, also den 30- bis 50-Jährigen, sind Einbrüche zu sehen. „Das gesellschaftliche System hat sich geändert“, beobachtet Hegemann. Berufstätige müssten erheblich mobiler sein als vor Jahrzehnten, mit der Folge, dass Wohn- und Arbeitsplatz oft weit auseinander lägen. Das sei dann oft das Ende der Feuerwehrtätigkeit.

Das beobachtet auch Knödler. „Die Frauen sind oft die Einzigen, die tagsüber noch vor Ort sind.“ Er sei „ein großer Anhänger davon, dass auch Frauen zu uns kommen“. Doch im Gegensatz zur Polizei oder der Bundeswehr gelingt es den Feuerwehren bis jetzt kaum, Frauen für sich zu begeistern. Der Anteil der Feuerwehrfrauen in Baden-Württemberg dümpelt aktuell bei 4,5 Prozent.Ebenso dürftig ist die Mitarbeit von Migranten bei der Feuerwehr, obwohl es darüber keine exakte Statistik gibt. Das habe, sagt Chefredakteur Hegemann, nicht immer mit einem mangelnden gesellschaftlichen Solidaritätsgefühl zu tun, sondern mit kulturellen Grundlagen. Gerade in südlichen Ländern gebe es keinerlei Förderung von Ehrenamt und Freiwilligkeit. Als Uniformträger träten ausschließlich Vertreter des – oft misstrauisch betrachteten – Staatsapparates auf.

Mittelfristig müssen Wachen vielleicht zusammengelegt werden

Er habe, sagt Knödler, „noch kein vernünftiges Konzept“ zur Integration dieser Zielgruppe in die Feuerwehren gesehen. Der Landesverband setzt vielmehr auf eine breit angelegte Werbestrategie zur Stärkung des Ehrenamtes. Finanzieren soll die Kampagne nach Vorstellung des Verbandes das Land, für die Umsetzung vor Ort sollen die Kommunen sorgen. Wie eine solche Werbung aussehen könnte, will der Verband in einem Strategiepapier zeigen, an dem derzeit gearbeitet wird und das den Arbeitstitel „Freiwillig. Stark“ trägt. Anfang 2015 will Knödler damit an die Öffentlichkeit gehen.

„Ich bin es allmählich leid, wenn Politiker nur Worthülsen von sich geben“, sagt der Präsident und prophezeit: Wenn es nicht gelänge, weiterhin genügend Ehrenamtliche für die Arbeit in der Feuerwehr zu gewinnen, müssten mittelfristig Wachen zusammengelegt werden. Die Folge wären deutlich verlangsamte Einsatzreaktionszeiten auf dem Land.

Aber auch die Mittelstädte ab 50 000 Einwohnern kämen laut Knödler nicht ungeschoren davon, wenn nicht eine Wende gelingt. Sie müssten, um die Tagesverfügbarkeit der Feuerwehr zwischen 7 und 17 Uhr sicherzustellen, „immer mehr auf eine berufliche Eingreiftruppe setzen“.

20 Feuerwehrleute sind laut dem Verband für die kleinste Berufsfeuerwehr nötig. Die Kosten dafür lägen bei jährlich rund einer Million Euro. Bis die ersten Städte tief in die eigene Tasche greifen müssten, werde es, prognostiziert Knödler, „vermutlich nicht mehr lange gehen“.