Die Bezirksbeiräte von Bad Cannstatt, Münster, Mühlhausen, Wangen, Hedelfingen sowie Ober- und Untertürkheim haben gemeinsam zum Thema Nahverkehr getagt. Einig waren sich alle darin, dass die Neckarvororte eine bessere Verbindung zum Flughafen brauchen.

Bad Cannstatt/Neckarvororte - Alle fünf Jahre muss der Nahverkehrsplan (NVP) fortgeschrieben werden. Der alte aus dem Jahr 2009 war noch eine ziegelsteinschwere Kladde. Der neue ist entschieden schlanker. Weniger spröde gestaltete sich die Materie für die Bezirksbeiräte von Bad Cannstatt und den Neckarvororten, die vergangenen Mittwoch im Bad Cannstatter Kursaal gemeinsam tagten, deshalb aber nicht. Der Grund dafür lag nicht nur in der Natur der Sache, sondern im speziellen Zweck der Übung: Es war eine reine Informationsveranstaltung, bei der nur allgemeine, aber keine ortsspezifischen Fragen gestellt werden durften. Noch komplizierter wurde es dadurch, dass der „Nahverkehrsentwicklungsplan“, der größere Zusammenhänge nicht zuletzt in Sachen Infrastruktur – etwa den Ausbau von Linien – zu fassen hat, aus formalen Gründen außen vor bleiben musste. Wie auch das Thema S-Bahn und Deutsche Bahn, die in andere Zuständigkeitsbereiche fallen.

 

Diese Disziplin zu halten, fiel manchem Bezirksbeirat schwer. Kein Wunder, schließlich sind Bezirksbeiräte Kompetenz-Spezialisten für ihren jeweiligen Stadtteil. Mit den sie betreffenden Details müssen sich die Räte von Mühlhausen, Münster, Bad Cannstatt, Unter- und Obertürkheim sowie von Wangen und Hedelfingen noch ein bisschen gedulden: bis zu den Sitzungen der Gremien der einzelnen Bezirke. Und da sind sie dann gefordert mit der Erarbeitung präziser Vorschlagslisten.

Das Beispiel Pforzheim als negatives Vorbild

Spannend war die Veranstaltung gleichwohl. Denn der neue Nahverkehrsplan muss „sitzen“. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Neuvergabe des Auftrages für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) 2018/19 ansteht. Dass die europaweite Ausschreibung nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf, zeigt das Beispiel Pforzheim. Dort kam ein „Fremdbewerber“ zum Zuge. „Und nun sitzen die eigenen Leute auf der Straße“, wie Thomas Knöller, Abteilungsleiter Planung beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) eingangs berichtete. Und das soll der stadteigenen Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) nicht widerfahren. So diente die Veranstaltung auch dem förmlich korrekten Einstieg in das Vergabeverfahren, das einen Vorlauf von 27 Monaten verlangt.

Wichtig für dieses Verfahren ist laut Frank Dudenhöfer, der beim VVS für die Angebotsplanung verantwortlich ist, „dass das Angebot eindeutig definiert ist. Dazu gehören der aktuelle Stand, aber auch Ziele der Entwicklung“. Der Vorteil: „Was dann da drin steht, das ist auch verbindlich und darf nicht unterschritten werden“. Ein Punkt ist zum Beispiel das Thema Einzugsbereich. Die Marke: maximal 30 Minuten bis zur Innenstadt. Ein Parameter, der bereits weitgehend erreicht ist. Das gilt auch für den Einsatz von Niederflurbussen.

Barrierefreiheit bis 2022 ist nicht drin

Anders sieht es dagegen in Sachen Barrierefreiheit an den Haltestellen von Bussen und Stadtbahnen aus. Hier schreibt der Bund vollständige Barrierefreiheit bis 2022 vor: „Das werden wir nicht schaffen“, konstatierte Dudenhöfer. Das Ziel: „In den nächsten fünf Jahren 100 Haltestellen umzubauen.“ Ebenso nur Schritt für Schritt vorankommen könne man beim Ausbau der dynamischen Fahrgastanzeigen. Und fast noch am Anfang sind VVS und Stadt bei den geforderten Blindenleitlinien.

Auf breite Resonanz stießen „künftige Projekte“ wie der Ausbau der Busspuren, die Bevorrechtigung von Bussen per Ampelschaltung sowie der Ausbau des Nachtbusverkehrs. Diverse Beiträge beschäftigte auch die „Diesel-Problematik“. Die Forderung, schnell auf Hybrid-Fahrzeuge umzusteigen, wurde mit Verweis auf die Kosten als „wenig wahrscheinlich“ beschieden. Immerhin einig waren sich Podium und Versammlung, dass die Neckarorte eine bessere ÖPNV-Verbindung zum Flughafen brauchen. Und völlig unbeantwortet blieb die Frage, wie die Stadt das Ziel erreichen wolle, den Einpendelverkehr in den Talkessel, der derzeit noch zu 75 Prozent per PKW erfolgt, durch einen Umstieg auf den ÖPNV auf bis zu 50 Prozent zu drosseln. So hinterließ die Veranstaltung bei den Beiräten viel mehr offene Fragen als Antworten. Deren eigentlich Arbeit beginnt jetzt erst: in den jeweiligen Ortsgremien.