Verkehrsminister Hermann hängt die Ausschreibung der Nahverkehrsleistungen wie ein Klotz am Bein. Jetzt vermutet die CDU auch noch Vetterleswirtschaft in der Sache. Dadurch hinke das Land noch weiter hinterher. Hermann spricht von Verunglimpfung.

Verkehrsminister Hermann hängt die Ausschreibung der Nahverkehrsleistungen wie ein Klotz am Bein. Jetzt vermutet die CDU auch noch Vetterleswirtschaft in der Sache. Dadurch hinke das Land noch weiter hinterher. Hermann spricht von Verunglimpfung.

 

Stuttgart - Die CDU-Fraktion wirft Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei der Ausschreibung von Nahverkehrsleistungen „grünen Filz“ vor. „Hermann hat die dafür zuständige Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) lahmgelegt und stattdessen aus Steuergeld bezahlte Aufträge seinem Freund und Stuttgart-21-Kritiker Michael Holzhey zugeschustert“, sagte die Verkehrsexpertin der CDU-Fraktion, Nicole Razavi, der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart.

Hermann wies den Vorwurf als „dreist und abwegig“ zurück. „Wieder einmal versucht die CDU, durch Skandalisierungen von eigenen Versäumnissen der Vergangenheit abzulenken“, sagte Hermann, der als Gegner von Stuttgart 21 bekannt ist. Die CDU folge dem Motto: „Hauptsache mit Dreck geworfen.“ Holzhey ist Partner der Berliner Strategie- und Managementberatung für öffentliche Dienstleistungen KCW GmbH und hatte dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 in einer Studie den verkehrlichen Nutzen abgesprochen.

Allerdings findet auch der Verkehrsexperte des Grünen-Koalitionspartners SPD, Hans-Martin Haller: „Es sollte genug sein der Fremdberatung und Gutachten im Verkehrsministerium.“ Hermann müsse dem eigenen Personal mehr vertrauen. Als überflüssige, vom Ministerium vergebene Gutachten nannte der SPD-Parlamentarier eines zum Thema Finanzierungshilfen für Eisenbahnunternehmen beim Kauf von Schienenfahrzeugen und zur Helmpflicht.

Razavi, die mehrere Jahre die Presse- und Marketingabteilung des landeseigenen Unternehmens NVBW leitete, betonte: „Genau für die Vorbereitung der Ausschreibungen im Schienennahverkehr ist die NVBW da, dafür wird sie bezahlt.“ Die NVBW hatte den 2016 auslaufenden Großen Verkehrsvertrag von 2003 federführend erarbeitet.

Das Ministerium nutzt nach eigenen Angaben neben dem bundesweiten Marktführer bei der Betreuung von SPNV-Vergaben KCW die Expertise im eigenen Haus und die der NVBW. Letztere habe dafür sogar mehr Personal erhalten. Es sei angesichts des Auftragsvolumens von bis zu zehn Milliarden Euro unerlässlich, die eigene Konzeption sowie das eigene Know-how und das der NVBW durch ein externes Beratungsunternehmen prüfen zu lassen und zu optimieren.

Razavi sieht die Schuld bei Hermann

Die Gutachtenvergabe ist nach den Worten Razavis nur ein Beispiel für die Tendenz Hermanns, dem eigenen Haus und seinen Beamten zu misstrauen und sich mit gleichgesinnten Beratern zu umgeben. „Die Fachexpertise muss aber über allem stehen, sonst wird nach Ideologie entschieden.“ Die KCW arbeite nicht zügig, die Ausschreibungen für den Schienenverkehr im Land hinkten Jahre hinterher. In diesem Jahr seien zwar acht Vergabeverfahren geplant. „Es ist aber unrealistisch, sich weit mehr als zwei der hochkomplexen Verfahren im Jahr vorzunehmen“, sagte die Christdemokratin.

Hermann konterte: „Der unbestreitbare Zeitverzug ist allein durch die unzureichenden Vorarbeiten der Vorgängerregierung begründet.“ Diese sei dafür verantwortlich, dass der Vertrag mit der Bahn, der zwei Drittel des Landesverkehrs umfasst, auf einen Schlag 2016 ausläuft.

Razavi sieht dagegen die Schuld für eine Ballung von Vergabeverfahren bei Hermann. Dies verhindere den angestrebten Wettbewerb, weil sich kleinere Unternehmen daran kaum beteiligen könnten. Ob der Wettbewerb gelinge, entscheide sich bei den Stuttgarter Netzen.

Die Netze Neckartal, Rems-Fils und Franken-Enz sollen nach Hermanns Planung noch in der ersten Hälfte 2014 ausgeschrieben und Dezember 2018 - also mit zwei Jahren Verspätung - in Betrieb genommen werden. Sie umfassen 22 Millionen Zugkilometer und neue Fahrzeuge mit einem Volumen von rund 700 Millionen Euro. Das berge hohe Potenziale, aber auch hohe Risiken für das Land und die Eisenbahnunternehmen, sagte Razavi. „Die Stuttgarter Netze werden zu Hermanns Offenbarungseid.“

Denn bei ihnen komme wegen des großen Volumens höchstwahrscheinlich nur die Deutsche Bahn (DB) als Leistungserbringer infrage, deren Monopol der Grünen-Politiker hatte brechen wollen. „Man begibt sich in Abhängigkeit der DB und riskiert ein Preisdiktat mit teuren Übergangsverträgen und hohen Kilometerpreisen, so dass im schlimmsten Fall sogar Abbestellungen drohen, ganz zu schweigen von den versprochenen Verbesserungen.“

Die Regionalisierungsmittel von rund 790 Millionen Euro reichten schon jetzt nicht einmal mehr aus, die gestiegenen Energie- und Trassenpreise zu zahlen. Dafür müssten jährlich 60 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt berappt werden. Laut Haller kann die Koalition „gottfroh“ sein, wenn die durch die Ausschreibung erzielten Gewinne ausreichten, um das Nahverkehrsangebot auf dem bisherigen Stand zu halten.