Die gelben Zahnradbahnen kraxeln seit fast 35 Jahren täglich vom Stuttgarter Marienplatz im Kessel ins hoch gelegene Degerloch. Inzwischen geht den Kilometermillionäre allerdings immer öfter die Luft aus.

Stuttgart - Für die Stuttgarter ist ihre Zahnradbahn eine Institution, ein Wahrzeichen der Stadt: Schließlich geht es in der geliebten Zacke seit 1884 vom Marienplatz mit bis zu 17,8 Prozent Steigung über 2,2 Kilometer in den mehr als 200 Meter höher gelegenen Stadtbezirk Degerloch. Dessen Bewohner haben die Zacke, Deutschlands einzige Zahnradbahn im innerstädtischen Liniendienst, längst eingemeindet. „Wenn ein Degerlocher am Marienplatz im Süden einsteigt, dann ist er praktisch schon daheim“, sagt Thomas Moser, Leiter der SSB-Abteilung Schienenfahrzeuge.

 

Aber auch immer mehr Touristen und Radfahrer schätzen die gelben Wagen, um sich im 15-Minuten-Takt auf Stuttgarts Höhen befördern zu lassen. Inzwischen pendeln mehr als 3000 Fahrgäste täglich zwischen dem Alb- und dem Marienplatz. Mit steigender Tendenz, weil es am Marienplatz gute Anschlüsse an Stadtbahn- und Buslinien sowie an die durch die Tübinger Straße verlaufende Hauptradroute 1 gibt.

Jede Bahn erhält alle sechs Jahre neue Zähne

Der Erfolg kostet aber auch Kraft und zehrt an der Substanz. „Alle drei Zahnradbahnen der dritten Generation, die im nächsten Jahr 35 Dienstjahre hinter sich haben, sind längst Kilometermillionäre“, sagt Moser. Schließlich lege jede Zacke jährlich rund 33 000 Kilometer zurück. Das Alter und die vielen Kilometer hätten bei den Bahnen ihre Spuren hinterlassen. „Viele Baugruppen der Fahrzeuge kommen an die Verschleißgrenze“, betont Moser. Es werde auch immer schwieriger, bestimmte Ersatzteile – etwa für die Elektronik – zu bekommen. Jede Zacke habe schon mehrmals neue Zähne bekommen. „Das Antriebsrad mit 23 Zähnen wird alle sechs Jahre gewechselt“, so Moser. Und die letzte Generalsanierung der Zackewagen, bei unter anderem der auch Klimaanlagen nachgerüstet worden seien, liege bereits 15 Jahre zurück.

Dass die gelben Oldtimer noch fahren, hält der Stadtbahnmanager der „robusten Konstruktion und dem engagierten Zacketeam“ zu gute. Dennoch wurde eine Bahn, die vor vier Jahren öfter mit überhitzen Motoren liegenblieb, öffentlich als „Zicke“ diskriminiert. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass die brave Bahn völlig unschuldig war. Eine im Lüftungsrohr steckende Plastiktüte hatte der Zacke die Frischluftzufuhr abgeschnitten. Ohne Tüte ging es sofort wieder flott bergauf.

Die SSB denken über neue Bahnen nach

„Für die 35 Zackefahrer und das Werkstattteam hat die Sicherheit der Zacke höchste Priorität“, sagt Moser. Doch trotz des großen Engagements werde die Instandhaltung immer schwieriger. „Manches Teil ist nur noch durch eine teure Einzelanfertigung zu ersetzen.“ Der Reparaturaufwand habe sich im Lauf der Jahre um „mindestens 30 Prozent“ erhöht. „Jetzt geht es an die Substanz.“

Aus diesem Grund denken die SSB schon länger über neue Zackebahnen nach. „Die sollen etwas größer, mit einer Einstiegshöhe von rund 40 Zentimeter fast barrierefrei sein und mehr Fahrräder mitnehmen können“, sagt Moser. „Die Anschaffung steht ganz weit oben auf unserer Prioritätenliste. Doch leider fehlen uns die 15 Millionen Euro für drei neue Zackebahnen.“ Der SSB-Mann hofft, dass die Landesregierung die im Koalitionsvertrag zwischen Grün-Schwarz vereinbarte Förderung von Schienenfahrzeugen endlich mit Zahlen hinterlegt. „Die Zuschüsse werden dringend gebraucht“, sagt Moser.

Doch selbst wenn das Geld rasch fließen sollte, müssen die Zackeveteranen mindestens noch drei Jahre lang über die alte Weinsteige nach Degerloch klettern. „So lange dauern die Ausschreibung, die Vergabe, der Bau und die Abnahme neuer Bahnen“, weiß Moser. Er ist sich aber ziemlich sicher, dass es eine neue neue Zackegeneration geben wird. „Etwas anderes ist in Degerloch und im Süden undenkbar.“

Der Zackefahrlehrer Knud-Axel Noack, der demnächst in den Ruhestand geht, wird aufpassen, dass seine Zacke weiterhin ordnungsgemäß verkehrt. „Vom Dach meiner Wohnung im Westen kann ich einen Teil der Strecke sehen und sofort eingreifen, wenn etwas nicht stimmen sollte.“