Verkehrsminister Hermann will durch „Umschichtungen“ im Landeshaushalt erreichen, dass keine Züge abbestellt werden müssen – und wehrt sich gegen heftige Angriffe.

Stuttgart - Werden bald weniger Züge durchs Land rollen als derzeit? Dieser Frage widmete der Landtag 70 Minuten seiner Plenarsitzung am Mittwoch mit teils heftigen Angriffen auf Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Doch es zeichnet sich eine Antwort ab: Es wird mutmaßlich zu keinen Abbestellungen kommen, das gilt auch für 2013. Dies lässt sich nicht nur aus Hermanns Aussagen ableiten, sondern auch aus den Worten der Vertreter der Regierungsfraktionen, Andreas Schwarz (Grüne) und Hans-Martin Haller (SPD). Minister und Abgeordnete betonten mit Nachdruck, dass alles getan werden müsse, um diese Abbestellungen zu vermeiden. „Abbestellungen wäre das falsche Signal“, formulierte Schwarz.

 

Das Geld reicht nicht mehr aus

Den Schienenpersonennahverkehr fahren Gesellschaften wie die DB Regio im Auftrag des Landes, das diese Züge „bestellt“. Das Geld dazu erhalten die Bundesländer vom Bund in Form sogenannter Regionalisierungsmittel. Im Gegensatz zu früheren Jahren, als manche dieser Gelder für andere Projekte verplant werden konnten, reicht diese Summe heute nicht mehr aus. Das führt Hermann vor allem auf stark gestiegene Kosten für Bahnhofs- und Trassennutzung sowie Energiepreise zurück. 2012 fehlen rund 20 Millionen Euro, 2013 sogar 60 Millionen Euro. Diese von der Stuttgarter Zeitung aufgedeckten Zahlen werden von keiner Seite bestritten. Und auch nicht, dass zwölf Prozent aller Züge nicht mehr fahren würden, wenn die genannten 60 Millionen Euro an dieser Stelle eingespart werden müssten.

Der Zwist im Landtag drehte sich darum, seit wann diese Zahlen bekannt sind und wie die Löcher im Etat gestopft werden können. Die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi sprach vom „Tag der Wahrheit“ und verlangte Konzepte und Lösungen von Hermann, den sie „konzeptionslos, ratlos und planlos“ nannte. Abbestellungen seien eine „Bankrotterklärung der grünen Verkehrspolitik“. CDU-Fraktionschef Peter Hauk stellte die Frage, warum in den Haushaltsberatungen nie eine Rede von der Etatlücke gewesen sei. Das Thema sei seit September 2011 bekannt, führte Jochen Haußmann für die FDP aus, „aber was hat man in den letzten sechs Monaten getan?“

Hermann: „Nicht kürzen, sondern umschichten“

Verkehrsminister Hermann geht davon aus, „dass wir es 2012 einigermaßen hinbekommen“. Er habe bis zu den letzten Haushaltsberatungen von seinem Ministerium und von der landeseigenen Nahverkehrsgesellschaft noch keine genauen Zahlen zu dem rund 700 Millionen Euro umfassenden Haushaltsposten „Regionalisierungsmittel“ erhalten. Bei dieser Größenordnung seien Verschiebungen möglich, die diese fehlende Summe abdecken könnten.

Kurz nach der Plenardebatte erklärte Hermann der Stuttgarter Zeitung, dass er 2013 „nicht kürzen, sondern umschichten“ will. Das heißt, der Topf der Regionalisierungsmittel würde im nächsten Jahr um 60 Millionen Euro von Posten entlastet, die nicht direkt mit der Bestellung von Zügen zu tun haben. Hermann denkt an Zuschüsse für Stuttgart 21, für die aus diesem Etatposten im laufenden Jahr 15,555 Millionen Euro fließen sollen, 2013 dann 33,555 Millionen Euro und 2014 bis 2016 jeweils 43,555 Millionen Euro pro Jahr. Dann erwähnte der Minister den Verkehrslastenausgleich, mit dem der Stuttgarter Stadtverkehr SSB unterstützt wird und auch die Verbundförderung. Entscheidungen werden aber erst die Beratungen für den Haushalt 2013 bringen. Wobei Abbestellungen für 2013 nicht mehr möglich seien, weil sie lange vor dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 angemeldet werden müssten.

Die meisten Züge sind gut besetzt

Unterdessen haben Bahn-Experten erhoben, dass es angesichts des erfolgreichen Nahverkehrssystems in Baden-Württemberg nur sehr wenige schwach besetzte Züge gibt. Würden die wegfallen, wären vor allem Berufspendler in den frühen Morgen und späten Abendstunden betroffen. Einsparen ließen sich allenfalls 2,5 Millionen Euro. Umkehrschluss: müssten Züge in einem im Etat bemerkbaren Umfang gestrichen werden, beträfe dies stark genutzte Verbindungen.

Hermann sprach von einer „Übergangsstrategie“, bevor für die Zeit nach 2016 neue Verkehrsverträge gälten. Der laufende „große“ Vertrag wurde 2003 zwischen dem Land und der DB Regio abgeschlossen. Nun wird es darum gehen, in Ausschreibungen für die Zeit nach 2016 Bedingungen auszuhandeln, die mehr Zugverkehr ermöglichen. Angesichts des Wettbewerbs im Schienenverkehr erscheint dies möglich.

Bereits kurzfristig will sich Hermann für eine Umverteilung der Regionalisierungsmittel zwischen den Bundesländern einsetzen. Denn wie aus einem Hintergrundpapier des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale hervorgeht, erhält Baden-Württemberg vom Bund nur 10,44 Prozent aus diesem Topfes, obwohl der Bevölkerungsanteil bei 13,1 Prozent liegt und der Anteil an den Kilometern der Bahnreisenden bei 13,3 Prozent.