Welche Stadtbahnverbindungen fehlen in Stuttgart? Leser der Stuttgarter Zeitung haben via Facebook neue Strecken vorgeschlagen. Volker Christiani, Chefplaner der SSB, sagt, welche realistisch sind.

Stuttgart - Die perfekte Stadtbahnlinie verbindet große Wohngebiete mit Gewerbezentren und Einkaufsmöglichkeiten. Alle 600 bis 1000 Meter ist eine Haltestelle, in deren Einzugsradius sich viele potenzielle Fahrgäste befinden. Solche Linien in Stuttgart zu finden, ist die Aufgabe von Volker Christiani, dem Chefplaner der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB). Christiani ist jedoch längst nicht der einzige, der Ideen für neue Strecken hat. Die Stuttgarter Zeitung hat ihre Leser auf Facebook nach den weißen Flecken im Stadtbahnliniennetz befragt. In mehr als 100 Kommentaren kamen Dutzende von Vorschlägen. Einige davon, bestätigt Christiani, haben Potenzial.

 

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Der Wunsch jedoch, der auf Facebook, die meiste Zustimmung fand, hat kaum Chancen auf Erfolg: eine Ringlinie um Stuttgart herum. Das hatte „Stuttgart Events-Partys“ vorgeschlagen. Was im ersten Moment logisch klingt, nämlich eine Verbindung der Filderebene mit Botnang, Leonberg, Kornwestheim, Fellbach, Untertürkheim und Esslingen scheitert daran, dass diese Rundstrecke durch weite Teile unbebauten Gebietes führen müsste. „Die Investitionen wären nicht zu rechtfertigen“, sagt Christiani. Ohnehin sei das Stuttgarter Stadtbahnnetz deshalb sternförmig ausgerichtet, weil die SSB so die meisten Fahrgäste gewinnen. Eine äußere Ringlinie, erläutert Christiani, würde zu wenige Menschen veranlassen, tatsächlich vom Auto auf die Stadtbahn umzusteigen.Ein Ring durch die Innenstadtbezirke Nord, West, Süd und Ost scheitert dagegen nicht an einem Mangel an Fahrgästen. Die vergleichbaren Buslinien sind stark frequentiert. Facebook-User Chris TamTam Pain wünscht sich beispielsweise eine solche Verbindung. Tatsächlich könnte man dafür auf einigen Teilen des bestehenden Netzes aufbauen, etwa auf der Gäubahnlinie. Das Problem sind die Lücken in der Streckenführung. Um diese zu schließen, wären aufwendige Lösungen notwendig, etwa um den Marienplatz mit dem Bopser zu verbinden. „Wir müssten riesige Löcher in der Innenstadt aufreißen. Das lässt sich nicht durchsetzen“, sagt Christiani. Zumal fraglich sei, ergänzt der SSB-Chefplaner, ob die Mittel von mehreren Hundert Millionen Euro dafür bewilligt würden.

Die Topografie mach Neubaustrecken in Stuttgart teuer

Selbst bei neuen Linien mit großem Potenzial wird die Frage der Finanzierung für Christiani zunehmend zur größten Herausforderung. 2019, so der Planer, ziehe sich der Bund aus dem Fördertopf für große Verkehrsprojekte, dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, zurück. „Über dieses Programm ist unser Stadtbahnnetz finanziert worden. Wenn es dafür keinen Ersatz gibt, werden Maßnahmen, die mehr als 50 Millionen Euro kosten, zum Problem“, sagt der SSB-Chefplaner. Dabei seien schon aufgrund der Topografie der Landeshauptstadt neue Stadtbahnlinien in Stuttgart teurer als in anderen Städten.

Trotz aller Schwierigkeiten, Christiani sieht Möglichkeiten, den öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart weiter auszubauen. Er will insbesondere die Adern des öffentlichen Nahverkehrs in den Außenbereichen besser miteinander verbinden. Das wäre ganz im Sinne von Heiner Scholz. Auf der Facebook-Seite der StZ schlägt er vor, die U 13 von Giebel nach Hausen zu verlängern. „Das ist eine Verbindung, die wir in den nächsten Jahren untersuchen möchten“, sagt Christiani und spricht davon, diese Linie bis zum S-Bahn-Halt Weilimdorf weiterzubauen. Die Schwierigkeit liege allerdings darin, eine geeignete Streckenführung durch Hausen hindurch zu finden.Eine Verlängerung der U 3 von Plieningen über Scharnhausen und Nellingen nach Esslingen, wie sie Stefan Schneider auf Facebook fordert, hält Christiani dagegen für nicht machbar. Plieningen sei zu dicht besiedelt, die weitere Strecke bis Scharnhausen müsste viel unbebautes Gebiet überwinden. Dagegen sei, so Christiani, eine Verlängerung der U 7 bis zum Esslinger Bahnhof seit kurzem ernsthaft im Gespräch. „Mit dem Ausbau der U 15 zum Fernsehturm haben wir nachgewiesen, dass die Stadtbahn eine höhere Steigung überwinden kann, als bisher angenommen“, sagt Christiani. Dadurch werde die notwendige Tunnelverbindung von Ostfildern nach Esslingen kürzer und damit günstiger. Fragt man übrigens Christiani selbst, dann fallen ihm durchaus weiße Flecken im Stadtbahnnetz ein. Neben einer Stadtbahn, die den Asemwald und Birkach anfährt, sieht er Potenzial in einer Linie, die Büsnau und den Westen Vaihingens an das bestehende Netz anbindet.

Kapazitäten auf bestehenden Strecken ausbauen

Zusätzliche Linien sind jedoch nicht immer die Lösung für den SSB-Planer. Das Netz ist bereits ausgelastet. An bestimmten Knotenpunkten können die Züge nicht dichter getaktet fahren. Um mehr Fahrgäste zu transportieren, wären längere Züge nötig. Dafür müssten Haltestellen ausgebaut werden. Das ist jedoch nicht in allen Fällen möglich. Christiani setzt darauf, an solchen Stationen künftig die jeweils erste und letzte Türe der Stadtbahn nicht zu öffnen. „Ein Stück weit sind wir Opfer unseres eigenen Erfolgs“, sagt Volker Christiani.