Im vergangenen Jahr haben 121 Millionen Fahrgäste die S-Bahnen in der Region Stuttgart genutzt – eine Rekordzahl. Aber noch nie waren die Züge so unpünktlich wie 2014. Das Regionalparlament übte heftig Kritik an der Misere.

Stuttgart - Auch beim dritten S-Bahn-Gipfel des Verbands Region Stuttgart hat die Bahn am Mittwoch die Erwartungen in Sachen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nicht erfüllt. Ihre Vertreter mussten im Verkehrsausschuss des Regionalparlaments einräumen, dass sich die Werte im vergangenen Jahr gegenüber 2013 nochmals verschlechtert haben. Es solle aber im Laufe dieses und des nächsten Jahres dank vielfältiger Maßnahmen vieles besser werden, hieß es seitens der Bahn.

 

„Wir haben die mit dem Verband Region Stuttgart vereinbarten Pünktlichkeitswerte 2014 leider verfehlt“, musste Dirk Rothenstein von der Geschäftsleitung der S-Bahn Stuttgart bekennen. Damit sei das Rückgrat des Nahverkehrs in der Region den Anforderungen an Zuverlässigkeit und Qualität leider nicht immer gerecht geworden. „Mit dem Ergebnis sind wir nicht zufrieden“, räumte der Bahnmanager ein. Seit Anfang des Jahres 2015 laufe es aber besser. Alle Anstrengungen seien darauf gerichtet, vor allem die Pünktlichkeit im Berufsverkehr zu steigern. Dauerhaft garantieren könne man das aber nicht.

Täglich fahren 400 000 Menschen S-Bahn

Zuvor hatte die Bahn auf einer eigenen Pressekonferenz im Turm des Hauptbahnhofs die „Steigerung der Fahrgastzahlen auf ein Rekordhoch“ in den Mittelpunkt gestellt. Mit 121 Millionen Fahrgästen habe man das Aufkommen 2014 um drei Prozent gesteigert. „An Werktagen fahren jeweils 400 000 Menschen täglich mit rund 750 S-Bahn-Zügen“, erläuterte Rothenstein. Hinsichtlich des Fahrens nach Fahrplan sei aber das unbefriedigende Niveau von 2013 nochmals„etwas schlechter“ geworden.

„Unbefriedigend“ nannte denn auch die Regionaldirektorin Nicola Schelling im Verkehrsausschuss die Bilanz der Bahn. „Wir erwarten heute von Ihnen klare Perspektiven für eine pünktliches S-Bahn.“

Anlagen „aus dem 18. Jahrhundert“

Carsten Hildebrandt von der für die Schienenwege zuständigen Netz AG musste aber einräumen, dass es vor allem bei der Leit- und Signaltechnik ein „zu hohes Störaufkommen“ gibt. „Da ist noch eine Menge zu tun, es gibt noch Anlagen aus dem 18. Jahrhundert.“ Mit insgesamt 32,5 Millionen Euro investiere man aber seit drei Jahren zusätzlich 5,5 Millionen Euro in die ziemlich alte Technik. „Kritischster Punkt ist die unterirdische Stammstrecke zwischen Schwabstraße und Hauptbahnhof, auf der fast 50 Prozent der Verspätungen anfallen.“ Um die Verhältnisse auf der am stärksten genutzten S-Bahn-Linie 1 zu verbessern, starteten die Bahnen von Dezember an in Herrenberg eine Minute früher. Dieser Fahrplanänderung stimmte auch der Verkehrsausschuss zu.

„Die Umsteiger von der S-Bahn auf Busse leiden am stärksten unter den Verspätungen“, stellte VVS-Geschäftsführer Horst Stammler fest. Im Umland gingen 55 Prozent der Anschlüsse verloren, wenn die S-Bahn fünf Minuten hinter dem Fahrplan liege. „Deshalb planen wir mittelfristig neue Umsteigeverbindungen mit einem größeren Zeitpuffer von gut fünf Minuten.“

Schiebetritte bleiben ein Problemfall

Nichts Neues gibt es in Sachen Schiebetritte. Die Testfahrten mit drei S-Bahnen werte man gerade aus, sagte Wim Hendriks vom S-Bahn-Hersteller Bombardier. Falls alles in Ordnung sei, dauere der Einbau in die 87 neuen S-Bahn-Züge vom Typ ET 430 aber noch 18 bis 24 Monate.

„Von uns gibt es keine Absolution für die die großen Probleme in der Leit- und Signaltechnik“, erklärte der CDU-Regionalrat Helmut Noë in der Debatte. „Das ist der größte Pferdefuß und das Thema Schiebetritte bleibt ein Trauerspiel.“

Kritik aus dem Regionalparlament

„Die S-Bahn ist schlechter geworden, die Stimmung der Kundschaft nicht besser“, stellte der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn aus Sicht der Grünen fest. „Sie müssen uns bis Mitte des Jahres präzise aufzeigen, was ihre Maßnahmen an welchen Stellen konkret gebracht haben“, forderte der Oberbürgermeister von der Bahn. Diese müsse sich auch einer offenen Diskussion über die richtige Leit- und Signaltechnik für die Zukunft stellen.

Kritische Töne kamen auch von anderen Fraktionen. „Die S-Bahn dümpelt im Mittelfeld“, befand Bernhard Maier, Sprecher der Freien Wähler. Thomas Leipnitz von der SPD sieht die S-Bahn „wegen der Vielzahl der Signal- und Stellwerksstörungen am Anschlag“. Für Wolfgang Hoepfner von der Linken ist der S-Bahn-Betrieb „unkalkulierbar“ geworden. Aber die Bahn beteuere bloß, dass alles besser werde.