Der Verkehrsclub Deutschland hat die Entscheidung von Bahnchef Rüdiger Grube begrüßt, die Mainzer Fahrgäste finanziell zu entschädigen – und fordert auch eine Entschädigung für betroffenen Bahnkunden in Stuttgart.

Stuttgart - Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), hat die Entscheidung von Bahnchef Rüdiger Grube begrüßt, die vom wochenlangen Stellwerksausfall betroffenen Mainzer Fahrgäste finanziell mit 25 bis 50 Euro zu entschädigen. „Was für Mainz gilt, muss wegen der seit Monaten andauernden Probleme auch bei der Stuttgarter S-Bahn gelten“, verlangt Lieb.

 

„Keine Entschädigung vorgesehen“, hieß es allerdings am Montag bei der Bahn. Einen Anspruch auf die Erstattung von 25 Prozent des Fahrpreises habe ein Fahrgast erst nach mehr als einer Stunde Verspätung. Bei mehr als zwei Stunden erhalte er 50 Prozent, erklärte ein Bahnsprecher.

Auch vom Verband Region Stuttgart gibt es kein Geld zurück

Auch vom Verband Region Stuttgart (VRS) gibt es kein Geld zurück. „Die Situation war für unsere S-Bahn-Fahrgäste in den vergangenen Monaten ziemlich unerfreulich“, räumt VRS-Planungschef Thomas Kiwitt ein. „Die durchaus missliche Lage ist aber nicht mit dem wochenlangen Totalausfall des Schienenverkehrs in Mainz und einem brachliegenden Hauptbahnhof vergleichbar.“

„Offensichtlich lohnt sich die Unpünktlichkeit der S-Bahn für die Bahn“, kritisiert der VCD-Landeschef. Die Vertragsstrafe des Aufgabenträgers Verband Region Stuttgart (VRS) für verspätete Züge sei wohl so gering, dass es für die Bahn ökonomisch sinnvoller sei, unpünktlich zu bleiben als Strecken und Fahrzeuge zu ertüchtigen. „Auch der VRS handelt nicht im Interesse der Fahrgäste, wenn er gegenüber der Bahn keine Entschädigung für die Fahrgäste einfordert“, sagt Lieb. Dabei seien die vergangenen Monaten nicht nur durch die Pannenserie der neuen S-Bahnen ET 430, sondern auch durch zahlreiche Signal-, Weichen- und Oberleitungsstörungen sowie massive Verspätungen und Zugausfälle geprägt worden. „Die Geduld der Fahrgäste wurde weit über Gebühr strapaziert“, resümiert Matthias Lieb. Die Bahn müsse auch ihre Fahrgäste aus der gesamten Region für ihre miserable Dienstleistung beim S-Bahn-Verkehr angemessen entschädigen.

Bahn soll sich Österreich als Vorbild nehmen

Deshalb müssen die Betroffenen nach Ansicht des Bahnkritikers jetzt gemäß der vorbildlichen Regelung in Österreich entschädigt werden. Wenn dort die vereinbarte Pünktlichkeitsquote innerhalb eines Jahres oder eines Monats nicht erzielt werde, so müssten den betroffenen Bahnkunden fünf beziehungsweise zehn Prozent des Preises für die Jahres- oder Monatskarte vergütet werden.

„Erst wenn ihre Unpünktlichkeit die Bahn viel Geld kostet, gibt es ökonomische Anreize für einen zuverlässigen S-Bahn-Verkehr“, erklärt Lieb. Seit dem Beginn der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 im Jahr 2010 sei der S-Bahn-Verkehr in der Region laufend gestört. „Zugausfälle, Entgleisungen, Oberleitungs-, Signal-, Weichenstörungen sowie Verspätungen und verpasste Anschlüsse prägten schon viele Monate das Bild“, beklagt Lieb. Sogar die neuen S-Bahn-Züge des Typs ET 430 seien schon nach kurzer Zeit wegen massiver Probleme mit den Schiebetritten alle wieder außer Dienst gestellt worden. „Schlimmer geht es doch nimmer“, findet Lieb.

Viele Anträge auf Erstattung von Taxirechnungen

Beim Tarif- und Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) verweist man beim Reizthema Entschädigung auf die Bahn. „Dafür ist die DB Regio als Betreiberin des S-Bahnverkehrs in der Region zuständig“, sagt die Pressesprecherin Nadine Szymanski. Beim Verbund gebe es als freiwillige Leistung eine Mobilitätsgarantie. Kunden mit Monats- und Jahreskarten könnten ein Taxi nehmen, wenn sie sonst ihr Ziel mit mehr als 30 Minuten Verspätung erreichen würden und andere Nahverkehrsmittel nicht in Frage kämen. Die Zahl der Beschwerden und Anträge auf Erstattung von Taxirechnungen sei stark gestiegen. „In diesem Jahr gab es schon 700 Anträge, 200 mehr als in den zwölf Monaten des Vorjahres“, so Szymanski. Insgesamt habe der VVS den betroffenen Kunden bis jetzt schon rund 14 000 Euro erstattet.