In einem Strategiepapier fordern die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) eine Nahverkehrsoffensive. Das überlastete Stadtbahnnetz soll ausgebaut und auch über die Gemarkungsgrenzen der Landeshauptstadt in die Region führen. In der Stadt sollen Taktverdichtungen für mehr Kapazität sorgen.

Stuttgart - Der Ausbau des mit Kapazitätsengpässen kämpfende Nahverkehr in der Landeshauptstadt steht im Rathaus plötzlich hoch im Kurs. Bereits am Donnerstagabend hat die Stuttgarter SPD das Thema bei einer Veranstaltung mit dem SSB-Technikvorstand Wolfgang Arnold Experten im Rathaus diskutiert. Und am Freitagvormittag will sich auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn öffentlich zu möglichen Verbesserungen im Stadtbahn- und Busnetz äußern.

 

Bei den SSB steht das Thema Ausbau schon lange ganz vorn auf der Agenda. Nach einer im SSB-Aufsichtsrat im März vorgestellten Untersuchung des kommunalen Nahverkehrsunternehmens bestehen auf vielen Stadtbahnlinien in den Hauptverkehrzeiten erhebliche Kapazitätsprobleme. So sind etwa in der Stadtbahnlinie U 13, die zwischen Hedelfingen und Giebel verkehrt, die Bahnen in der morgendlichen Spitzenstunde im innerstädtischen Bereich Glockenstraße / Rosensteinbrücke zu 81,3 Prozent ausgelastet. Dort gibt es werktags um 7.30 Uhr praktisch keine freien Plätze mehr. „Es gilt oft das Prinzip Ölsardine“, sagt ein Kenner der Verhältnisse. Nach den Empfehlungen des Verbands der Verkehrsunternehmen (VDV) sollten Straßenbahnen und Züge auch in Spitzenzeiten aber nur bis zu einer Quote von 65 Prozent belegt sein, um den Fahrgästen noch einen Rest an Aufenthaltsqualität zu garantieren. Auch auf anderen Stadtbahnlinien geht es nach der Analyse der SSB vor allem in der Innenstadt zu eng zu. So ist etwa die U 9 morgens im Bereich Schloss-/Johannesstraße im Westen zu knapp 90 Prozent ausgelastet. Auch in den Linien U 15 (Bereich Salzwiesenstraße) und U 8 (Bereich Ruhbank) geht es mit einer Quote von rund 80 Prozent ziemlich eng zu.

Lange Stadtbahnzüge zwischen Dürrlewang und Remseck geplant

Um die seit Langem bekannten Kapazitätsprobleme zu lindern, wollen die SSB auf der Linie U 8 zwischen Vaihingen – Heumaden – Nellingen von Mai an zwei Verstärkerzüge zusätzlich einsetzen. Als mittelfristige Perspektive hält die städtische Nahverkehrstochter allerdings zwischen Vaihingen und Heumaden einen Zehn-Minuten-Takt für erforderlich. Allerdings nur dann, „wenn der Fahrzeugbestand und die Betriebsanlagen dies erlauben“. Das sei nicht vor 2019 oder 2020 möglich. Auf Linie U 12 soll die Verstärkung früher eintreffen: Von August 2017 an sollen zwischen Dürrlewang und Remseck 80 Meter lange Stadtbahnzügen vorgesehen.

Auf der Stadtbahnlinie U 2 planen die SSB ein „überlagertes tangentiales Angebot“ zwischen Neugereut und dem Neckarpark. Diese „U 19“ soll von Neugereut über den Wilhelmsplatz bis zum Mercedes-Museum fahren. In der Gegenrichtung könnte der „19er“ eines Tages über Neugereut hinaus eines Tages bis nach Schmiden/Oeffingen rollen. Außerdem besteht bei den SSB die Absicht, die U 5 zwischen dem Killesberg und Möhringen möglichst bald im Zehn-Minuten-Takt fahren zu lassen und sie zudem bis Echterdingen zu verlängern. Auf der U 13 zwischen Giebel und Hedelfingen steht ein 7,5-Minuten-Takt auf der Wunschliste des Nahverkehrsunternehmens.

Diese Pläne können allerdings nicht ohne zusätzliche Stadtbahnen verwirklicht werden. Dafür sei eine Förderung der Schienenfahrzeuge durch das Land erforderlich. Heute müssen die SSB jede neue Stadtbahn, die rund vier Millionen Euro kostet, vollständig selbst finanzieren. Für eine Kapazitätserweiterung braucht das Unternehmen außerdem „eine realistische Perspektive für einen vierten Stadtbahn-Betriebshof, der im Stadtteil Hausen entstehen könnte.

Drei Zacke-Bahnen müssen ersetzt werden

Als „Zukunftsmusik“ gilt eine 120 Meter lange Stadtbahn-Dreierfraktion auf der Linie U 6 zwischen Feuerbach und dem Flughafen. Auch eine U 5b vom Killesberg über den Möhringer Riedsee nach Plieningen fällt in diese Kategorie. Dafür – sowie für andere Optimierungen im Netz – gelten allerdings ein Stadtbahntunnel zwischen Bobser und Charlottenplatz sowie eine Übereckverbindung zwischen Riedsee und der Sigmaringer Straße als erforderlich.

Darüber hinaus müssen die drei „Zacke“-Bahnen, die seit 1982 im Einsatz sind und von denen jede 1,2 Millionen Kilometer auf dem Buckel hat, dringend ersetzt werden. Zwischen Marien- und Albplatz sollen möglichst bald drei neue Zahnradbahnen mit mehr Platz für Fahrgäste und Fahrräder. Dafür müsste auch das Depot am Alten Zahnradbahnhof vergrößert werden.

Parallel zur Stadtbahn sollen auch die SSB-Buslinien ausgebaut und verstärkt werden. So wird etwa ein „temporärer Busverkehr“ an Tagen mit Feinstaubalarm oder möglichen Fahrverboten zur Verstärkung der Tallängslinie zwischen Bad Cannstatt und der Innenstadt nachgedacht.