Heute ist es kaum vorstellbar: ein Degerloch ohne sauberes Wasser. Vor 200 Jahren war das die Wirklichkeit. Bis die Ingenieure Karl und Hermann von Ehmann das Wasser nach Degerloch brachten. Daran erinnert ein Brunnen.

Degerloch - Es ist kein Ort, an dem man gern wohnt. Frisches Wasser aus dem Brunnen gibt es keines, vielmehr wird Regenwasser in Wetten aufgefangen; die sind verschlammt und oft stinkend, kaum als Viehtränke oder Waschplatz geeignet. Trinkwasser muss morgens in Butten und Fässern vom Ramsbachtal mühsam auf den Berg getragen werden – nachdem man in der Menschenschlange vor dem Schöpfbrunnen hatte lange warten müssen.

 

Nicht Dritte Welt heute, sondern Degerloch vor 200 Jahren

Was klingt wie die Beschreibung der Wassersituation in der Dritten Welt, hat mit einem Stuttgarter Vorort zu tun, der heute als hervorragende Wohnlage gilt und vor 200 Jahren noch ganz anders aussah.

Es geht um Degerloch.

Und es geht um zwei Männer, denen am Samstag, 29. März, eine späte Ehrung ihres Lebenswerkes zuteil wurde: Karl und Hermann von Ehmann. Nach ihnen wurde – passenderweise – der bis dahin namenlose Brunnen an der Ecke Jahnstraße/Königsträßle benannt. „Wir wollen damit zeigen, dass uns ihre Leistung noch heute bedeutsam ist, wir sie würdigen wollen“, sagte Helmut Doka, der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt Degerloch. Diese hatte sich für diese Brunnenwidmung starkgemacht und von der Stiftung Stuttgarter Brünnele und der Landeshauptstadt Unterstützung bekommen.

An 25 Brunnen gab es frisches Wasser

Nach einem Jahr Bauzeit für das erste Wasserwerk in Degerloch konnten die Dorfbewohner von 1872 an 25 Brunnen frisches Wasser schöpfen, zusätzlich gab es 30 private Hausanschlüsse. „In den darauf folgenden Jahren verwandelte sich der Ort völlig“, sagte Doka. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich, das Bauern- und Weingärtnerdorf wurde auch dank der Zahnradbahn zu einem beliebten Ausflugsort der Stuttgarter, die dort zudem ihre Sommervillen bauen ließen.

„Das Beispiel Degerloch zeigt, wie wichtig Wasser für die Städte ist“, sagte Bürgermeister Matthias Hahn bei der Brunnenwidmung und nahm zusammen mit Annette Kolb den ersten Schluck aus dem Ehmann-Brunnen, der auf Knopfdruck bestes Trinkwasser spendet. Die Urenkelin der Wasser-Ingenieure freute sich über die Erinnerung an ihre tüchtigen Vorfahren. „Das ist“, sagte Kolb, „im Sinne der Familie.