Nana Mouskouri hat in der Liederhalle ihr Publikum bezaubert. Stimmliche Alterserscheinungen gleicht sie mit Charakter und Charme aus.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Es gibt Sängerinnen, die sich ständig, wie es so schön heißt, neu erfinden müssen, um im Gespräch zu bleiben. Nana Mouskouri hat das nicht nötig. Die 77-jährige Künstlerin ist seit weit mehr als fünfzig Jahren im Geschäft. Wenn sie auf die Bühne der Liederhalle in Stuttgart tritt, muss sie keine Kapriolen mehr schlagen und ganz sicher keine Überraschungen zaubern. Ein paar Schritte zum Mikrofon in der Mitte und ein erster Gruß mit der Hand ins Publikum genügen: Hier kommt ein Weltstar, der seine über Jahrzehnte gewachsene Kunst wie einen Schatz mit sich trägt und nur zu gern sein Publikum ein weiteres Mal daran teilhaben lässt.

 

Wenn dann die ersten Klänge des Abends, die für diese Tournee titelgebenden „Weißen Rosen aus Athen“, jedem im Publikum deutlich machen, dass die Stimme der Mouskouri inzwischen nicht mehr jene unbeschwerte Klarheit aufweist, für die sie so lange Zeit berühmt war, steht das zur großen Geste des Auftritts nur bedingt im Widerspruch. Ja, just bei den von ihren Fans heißgeliebten Melodiehöhen gibt es erhebliche Intonationsprobleme, daran ist nichts zu deuteln. Aber der Schreck darüber hält sich in Grenzen. Denn das Kapital dieser Sängerin ist ja nicht einfach eine Stimmlage. Die Mouskouri hat Swing, Pop und Jazz, sie hat eine wunderbar versierte Modulation und atemberaubende Ausstrahlung, sie hat Kraft und unendlich viele Ausdrucksfacetten. Kurzum: alles, was ihrer Stimme an Leichtigkeit fehlen mag, wird mehr als wettgemacht durch Erfahrung und Charakter. Ein Phänomen.

Bei Musik aus Griechenland ist der Zauber am größten

So kann sie auch weiterhin alles bieten, was das Publikum gern von ihr hört, den eleganten New Yorker Bar-Song ebenso wie das große französische Chanson, den deutschen Schlager aus guten alten Tagen ebenso wie das schwermütige Rembetiko. Wobei, ginge es allein nach dem Geschmack des Kritikers: hier, bei der Musik ihrer griechischen Heimat, ist wirklich jede Distanz zwischen Bühne und Publikum aufgehoben und der Zauber am größten. Hier sind auch ihre sechs Bühnenmusiker, die natürlich nicht nur schmuck aussehen, sondern auch hervorragend spielen, an ihren Bouzoukis, Mandolinen, Flöten und am Klavier nichts weniger als perfekt.

Zweimal wird Nana Mouskouri im Konzert von ihrer Tochter und Popsängerin Lenou unterstützt – und auch beim Zugabenblock sind die junge und die reife Stimme im strahlenden Duett zu hören, was die Zuhörer im gut besuchten Beethovensaal endgültig von den Plätzen reißt. Das allerletzte Wort aber gehört Nana allein, nur begleitet von Klavier und Balalaika: ein sanftes griechisches Lied aus ihren allerersten Jahren als Sängerin, nun auch in der Höhe ganz zart und fein. Wie auf Wolken schwebt das Publikum hernach durch die beinahe mittelmeerwarme Nacht.