Eine Tagesstätte in der Luise-Benger-Straße wurde für 1,7 Millionen generalsaniert – und kann dennoch nicht eröffnen. Bei Messungen entdeckte das Hochbauamt Spuren eines Narkotikums in der Luft. Woher das Gas kommt, ist noch unklar.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Bei jedem Umbau und jedem Neubau lässt das Hochbauamt die Luft in Kindertagesstätten messen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Ungewöhnlich ist jedoch das Ergebnis einer Messung in der Kita in der Uhlbacher Luise-Benger Straße. „Wir haben das Gas 2-Chlorpropan gemessen“, sagt Alexander Hofmann, Abteilungsleiter für Jugend- und Sozialbauten im Hochbauamt. Die Verbindung wurde bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein als Narkotikum eingesetzt – und hat in der Raumluft, zumal in Räumen, in denen Kinder spielen, nichts verloren. Deswegen bleibt die für 1,7 Millionen Euro sanierte und erweiterte Kindertagesstätte bis auf weiteres geschlossen. Mit der Wiedereröffnung werde es in diesem Jahr nichts mehr, schätzt Hofmann.

 

Das Gas wurde früher als Narkosemittel verwendet

Chlorpropane werden laut dem Römpp-Chemielexikon als Lösungsmittel verwendet. Die Dämpfe des gefundenen 2-Chlorpropans würden stark narkotisch wirken, sie könnten Übelkeit, Herzarrhythmien, Leber- und Nierenschäden hervorrufen.

Das Gas wurde Mitte Juli gemessen. Das Hochbauamt ließ dann die Luft vom Zentrallabor des Eigenbetriebs Stadtentwässerung analysieren. Das Labor könne viele Analysen selbst vornehmen, aber auch externe Experten hinzuziehen, erläutert Alexander Hofmann. Dabei stellte sich heraus, dass das nicht mehr in der Medizin verwendete Narkotikum in der Luft liege. Versuche, das entwichene Gas durch Lüften aus dem Gebäude zu bekommen, hätten nicht geholfen. Als es heißer wurde, stieg die Konzentration über den vom Bundesumweltamt vorgegebenen Richtwert 1. Ist dieser erreicht, „sollte man Minderungsmaßnahmen ergreifen“, sagt Hofmann. Eine höhere Konzentration, der Richtwert 2, bei dem sofort die Nutzung untersagt werden muss, wurde nicht erreicht. Die Kita blieb sicherheitshalber dennoch zu.

Betroffen ist der neue Erweiterungsbau

Das Gas wurde nur im neu errichteten Erweiterungsbau der Kindertagesstätte gefunden. Daher liege der Verdacht nahe, dass einer der Baustoffe, der dort verwendet wurde, den Stoff abgebe. Einen Verdacht, welche Bauteile im Neubau das sein könnten, äußert im Hochbauamt niemand. Man habe eine Juristin hinzugezogen, um beim weiteren Vorgehen rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Schließlich ist es wahrscheinlich, dass der neu errichtete Umbau noch einmal überarbeitet werden muss und sich Regressansprüche gegen Baufirmen oder Hersteller von Baustoffen ergeben. „Wir setzen uns für eine schnelle Lösung ein. Aber es muss auch sicher sein, dass die Luft in der Kita hinterher in Ordnung ist“, sagt Alexander Hofmann. Ob der Stoff in Dämmmaterial oder Bauschaum sein könnte, zu dessen Aufschäumen Gase verwendet werden, ist noch nicht bekannt.

Der 40 Jahre alte Gebäudeteil ist generalsaniert

Die Kindertagesstätte in der Luise-Benger-Straße ist ein etwa 40 Jahre alter Flachdachbau, in dem 53 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren betreut werden. Durch den Erweiterungsbau wurden weitere 17 Plätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen. Das bestehende Gebäude ließ die Stadt generalsanieren. Im Grunde sei nur die Trägerkonstruktion des alten Gebäudes stehen geblieben. Böden, Wände, Decken und Installationen seien erneuert worden. „Im sanierten Bereich und im Neubau wurden nur Baustoffe verwendet, die eine Zulassung haben“, sagt Alexander Hofmann. Der Richtwert für 2-Chlorpropan sei erst im vergangenen Herbst vom Bundesumweltamt festgelegt worden.

Als die Luftbelastung bekannt wurde, hat das Hochbauamt nach einer Besprechung mit dem Gesundheitsamt und dem Jugendamt die Notbremse gezogen. „Die Kita bleibt vorerst zu“, lautete der Ende Juni gemeinsam gefasste Beschluss. Die Kinder, die bisher dort betreut worden waren, sind aber weiterhin versorgt. Die Stadt hatte die Gruppen in einem Gebäude in der Trollingerstraße, das ihr gehört, einquartiert. In dem ehemaligen Schulgebäude können sie bleiben, bis die Luft in ihrer eigentlichen Tagesstätte wieder sauber und rein ist. Die neuen Betreuungsplätze im Erweiterungsbau sind noch nicht belegt. Laut dem Jugendamt seien noch keine Erzieher dafür gefunden, daher habe man auch noch keine Zusagen an Eltern verschickt. Für weitere 17 Kinder wäre im Ausweichquartier in der Trollingerstraße kein Platz.

Eine derart böse Überraschung wie bei der Luftmessung in der Tagesstätte habe er noch in keinem Neubau erlebt, sagt Alexander Hofmann vom Hochbauamt. Das Gas sei in der Luft nicht zu riechen gewesen. „Man weiß bald nicht mehr, was man bei den Angaben zu Baustoffen noch glauben kann“, sagt Hofmann. Die Inhaltsstoffe seien angegeben, nicht aber Stoffe, die bei der Produktion eingesetzt werden und später auch abgegeben werden können.