Die Nationalmannschaft hat das Fußballjahr mit einem 1:0-Sieg in Spanien beendet. Es war ein versöhnlicher Abschluss, doch im nächsten Jahr warten neue Aufgaben.

Vigo - Der Regen peitscht noch immer über das Spielfeld und tropft sogar durch das marode Tribünendach, die Teamkollegen sind längst unter die warme Dusche geflüchtet, doch Jonas Hector legt erst richtig los. Einen Steigerungslauf reiht der Jungnationalspieler an den nächsten und sprintet unverdrossen von Strafraum zu Strafraum. Eine gute Fitness kann schließlich nicht schaden, auch wenn Hector frühestens wieder im März die nächste Gelegenheit bekommt, seine Dienste in der DFB-Auswahl anzubieten, die diesmal nicht nötig waren.

 

Am Dienstagabend saß der 24 Jahre alte Kölner auf der Bank, als das aufregende deutsche Länderspieljahr mit einem 1:0-Sieg gegen Spanien zu Ende gegangen ist. Das große Prestigeduell der beiden letzten Weltmeister war es angesichts der vielen Verletzten und der widrigen äußeren Umstände in Vigo zwar bestenfalls auf dem Papier, das eher unansehnliche Spiel änderte jedoch nichts daran, dass sich der Bundestrainer, nachdem die Haare wieder einigermaßen getrocknet sind, sehr zufrieden zurücklehnen darf. „Einen besseren Jahresabschluss“, sagt Joachim Löw, „kann man sich nicht wünschen.“

Mit düsterem Blick hatte er noch in der vergangenen Woche, nach dem 4:0 gegen Gibraltar, die Leistung seiner Spieler kritisiert. Nun legte sich der mühsam erkämpfte Erfolg gegen den langjährigen Erzrivalen, der erste seit 14 Jahren, wie eine warme Decke über die Probleme, die in den Monaten nach dem WM-Triumph von Rio zu Tage getreten waren. Ein paar Termine werde er noch wahrnehmen, sagt Löw, „dann freue ich mich auf die Weihnachtsferien und die Pause. Jetzt müssen wir erst einmal die nötige Ruhe einkehren lassen.“ Niemand wird nach diesem Jahr ernsthaft behaupten können, er und seine Spieler hätten sie nicht verdient.

Der Sieg im letzten Spiel, so glücklich er zustande gekommen sein mag, befördert diese Ruhe ganz maßgeblich, weil er das Publikum mit einem wohligen Gefühl in die Pause entlässt. Zumindest in den nächsten vier Monaten werden sie verstummen, die Diskussionen über schwache Qualifikationsspiele und fehlenden Druck aus der zweiten Reihe. Auch deshalb hatte Löw seinem Personal in den vergangenen Tagen ins Gewissen geredet und es mit einigem Nachdruck aufgefordert, sich ein letztes Mal zu motivieren. Das fiel leichter als zuletzt, „weil es den Spielern mehr Spaß macht, gegen einen solchen Gegner als gegen Gibraltar anzutreten“.

Das späte Siegtor von Toni Kroos hätte Löw gar nicht mehr unbedingt gebraucht – auch ein Unentschieden hätte ihm als Beleg für das geforderte Engagement genügt. Denn schon vorher hatte er „den unbedingten Willen“ seiner Mannschaft gespürt. Tapfer erfüllte die neu formierte Abwehrdreierkette, die es in der Besetzung Antonio Rüdiger, Shkodran Mustafi und Benedikt Höwedes wohl nie mehr geben wird, ihre Aufgabe, die Spanier vom Tor fernzuhalten. Und wenn sie doch mal durchkamen, war der Ersatztorwart Ron-Robert Zieler zur Stelle. Der Hannoveraner nutzte die Chance, die sich durch die Verletzung von Manuel Neuer aufgetan hatte – und war erleichtert. „Ich hatte meine Szenen, wir haben zu null gespielt und gewonnen – es war ein toller Abend“, sagte Zieler.

Selbstverständlich wird es dennoch nötig sein, dass im neuen Jahr die Neuers, Hummels und Boatengs in die deutsche Abwehr zurückkehren und dass weiter vorne wieder Leute wie Mesut Özil oder Marco Reus die spielerischen Akzente setzen. Denn mit Spielern wie Erik Durm, Sebastian Rudy oder Kevin Volland, das weiß auch Joachim Löw, dürfte es schwierig werden, jenes Vorhaben umzusetzen, das der Bundestrainer dem Publikum schon vor dem Spanienspiel in Aussicht gestellt hat: „Im neuen Jahr werden wir zu alter Klasse zurückfinden.“

So weit will in der verregneten Nacht von Vigo aber noch niemand denken. Der Teamarzt Tim Meyer knipst vor der Busfahrt zurück ins Hotel im Kabinengang ein letztes Erinnerungsfoto der Mannschaft, für das auch Jonas Hector seine Steigerungsläufe rechtzeitig beendet hat. Und der Torschütze Toni Kroos macht sich bereits auf den Flug zurück nach Madrid – und preist vorher die Vorzüge seiner neuen Heimat: „Das Gute an Spanien ist, dass man hier auch noch ganz spät landen darf.“