Der Proteststurm der Gegner des geplanten Nationalparks im Nordschwarzwald beschert der Gemeinde Baiersbronn ein Imageproblem. Der Ort lebt vom Tourismus.

Baiersbronn - Mühsam versuchen die Verantwortlichen in Baiersbronn den Scherbenhaufen zusammen zu kehren, den der organisierte Proteststurm der Nationalpark-Gegner hinterlassen hat. „Fremdschämen“ ist das häufigste Wort, mit dem Bürger und Kommunalpolitiker ihre Gefühle nach dem unrühmlichen Abend in der Schwarzwaldhalle beschreiben. Der Baiersbronner Bürgermeister Michael Ruf betont: „Wir haben 15 000 Einwohner. Das war nicht der Querschnitt unserer Bevölkerung.“ Baiersbronn sei kein Widerstandsnest. Dass hier aber so viele Bürger Sorgen und Ängste hätten, ist für ihn nachvollziehbar. Schließlich liegt Baiersbronn mit 46 Prozent der Gemeindefläche im Suchraum eines Nationalparks und sei damit weitaus am meisten betroffen. Dennoch hält auch Ruf den Protest für „grenzwertig“. Es gehöre zum guten Ton, Personen ausreden zu lassen.

 

Am Mittwoch Abend hatten die Anhänger des Vereins „Unser Nordschwarzwald“ den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, den Naturschutzminister Alexander Bonde (beide Grüne) und den Landrat des Kreises Freudenstadt, Klaus-Michael Rückert (CDU) mit Schmährufen, Beleidigungen und einem Ohren betäubenden Pfeifkonzert empfangen. Schlimmer war jedoch, dass die vehementen Gegner gar nicht bereit waren, zuzuhören und ihre vorgefasste Meinung zu überdenken. „Alles Schwindel“ – das Gutachten, die Bürgerbeteiligung, die Chancen für Naturschutz und Tourismus.

Ministerpräsident als Diktator geschmäht

„Judas“, Verräter“, „Lügner“ – der Ministerpräsident gar ein „Diktator“. Das geht Kretschmann zu weit: „Ich bin ein ganz gewöhnlicher, wenn auch grüner Ministerpräsident.“ Dass der Regierungschef sich an diesem Abend spontan den Bürgern stellte, wissen die Verantwortlichen zu würdigen. Ohne Kretschmanns Autorität, sein souveränes Auftreten und sein glaubwürdiges Bemühen, Fragen ehrlich zu beantworten, wäre es noch schlimmer gekommen, davon sind viele überzeugt. Fassungslos ist Freudenstadts Oberbürgermeister Julian Osswald (CDU) über den „mangelnden Respekt“ der Gegner vor Andersdenkenden. „Es war eminent wichtig, dass der Ministerpräsident vor Ort war“, lobt er explizit dessen Eintreten für das Projekt. Das erwartet er jetzt auch von der CDU-Landtagsfraktion. „Es gibt bessere Themen, um gute Oppositionsarbeit zu machen“, betont er. „Das Thema Nationalpark eignet sich dafür nicht.“ Die Fraktion sei noch nicht festgelegt, teilt hingegen die Sprecherin mit, die Menschen vor Ort müssten einen Nationalpark mittragen. Die CDU jedenfalls wolle sich erst noch einmal Ende April in Bühlertal mit den Nationalpark-Gutachtern über das Thema Tourismus beraten.

Der Landrat des Kreises Freudenstadt und der Baiersbronner Bürgermeister hingegen sind durch das Gutachten überzeugt worden: Sie sehen deutliche Chancen. Auf diese klaren Worte hatten viele Befürworter gewartet. Zu groß ist gerade bei den Touristikern die Befürchtung, dass Baiersbronn möglicherweise aufgrund des massiven Widerstands einer unbelehrbaren Gruppe das Nachsehen haben könnte.

Der Druck wächst: Bad Wildbad hat ausgearbeitete Pläne

Tatsächlich wächst der Druck: Bekanntlich hat der Calwer Landrat Helmut Riegger (CDU) im nördlichen Suchgebiet für einen Nationalpark rund 2000 Hektar weitere Staatswaldflächen mit Bannwäldern für einen Nationalpark am Kaltenbronn einzubringen. Und der Bürgermeister von Bad Wildbad hat nachgelegt: Klaus Mack (CDU) hat den Spatenstich für einen landeskulturellen Pavillon am Kaltenbronn mit dem Minister genutzt, um ihm gleich noch ein ausgearbeitetes Konzept samt Organigramm zu übergeben. Der „Naturraum Sommerberg – Kaltenbronn – Enzklösterle“ sei für einen Nationalpark hervorragend geeignet, es gebe die notwendige Infrastruktur – S-Bahnverbindung von Karlsruhe nach Gernsbach und von Stuttgart nach Bad Wildbad – sowie die attraktive Zahnradbahn auf den Sommerberg. Der Plan sieht unter anderem einen Baumwipfelpfad, eine Ranger-Station, ein Hirschgehege und ein Nationalparkklassenzimmer vor. Indes kommt Unterstützung für einen Nationalpark am Ruhestein vom Landrat des Ortenaukreises, Frank Scherer: „Ich bin überzeugt, dass von diesem Nationalpark eine positive Strahlkraft ausgehen kann, wenn die Rahmenbedingungen von Anfang an richtig gesetzt werden.“