Die Naturfreunde Weilimdorf-Gerlingen feiern diesen Samstag ihr 100-jähriges Bestehen. Bei Essen, Musik und Kabarett wird in der Lindenbachhalle zusammen auf das vergangene Jahrhundert zurückgeschaut.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Weilimdorf - Raus aus der Stadt, rein in die Natur. An der Zielsetzung, mit der sich die Naturfreunde Weilimdorf vor 100 Jahren gegründet haben, hat sich nichts Grundlegendes geändert. Allerdings sind die Vorzeichen andere: Während mittlerweile fast jeder die Möglichkeit hat, hinaus ins Grüne zu fahren, war es bei der Vereinsgründung noch etwas Besonderes.

 

„Für die Energiewende, aber nicht um jeden Preis“

Schon lange geht es den Naturfreunden aber nicht mehr nur um gemeinsame Wanderungen auf der Schwäbischen Alb oder Wochenendausflüge in den Schwarzwald. Der Verein organisiert Themenabende, Reiseberichte, PC-Sprechstunden, Radtouren für Neubürger oder politische Diskussionen und prägt damit das Veranstaltungsangebot im Bezirk mit. Seit den 90er Jahren ist auch der Umweltschutz ein wichtiges Anliegen des Vereins, der auch als Umweltverband anerkannt ist. Zuletzt brachten sich die Weilimdorfer Naturfreunde zusammen mit den Ortsgruppen aus Feuerbach, Botnang und Stuttgart-Nord bei dem geplanten Windrad-Standort im Tauschwald ein und organisierten einen Infoabend. „Wir sind für die Energiewende, aber nicht um jeden Preis“, erklärt das langjährige Mitglied Alfred Bofinger die Haltung des Vereins.

Die Mitgliederzahl beträgt seit einiger Zeit konstant etwa 100 Leute. In den 70er Jahren waren es noch mehr als 400 Mitglieder. „Das Freizeitverhalten ist viel individueller geworden“, sagt Peter Hanle, der Vorsitzende der Ortsgruppe Weilimdorf-Gerlingen. „Der Massentourismus hat seine Zeichen gesetzt. Wir als Nachhaltigkeitsverband wollen alternative Angebote schaffen und setzen auf den sanften Tourismus.“ Das bedeutet: In riesigen All-inclusive-Bettenburgen wird man die Naturfreunde wohl nie antreffen, sondern eher in einer einfachen Hütte im Schwäbischen. Zusammen wird gekocht, gesungen und Gemeinschaft erlebt.

Vereinigung zur Stadtteilgruppe

Die Geschichte der Naturfreunde-Verbände beginnt im Jahr 1895 in Wien. „Es war eine Art Emanzipationsbewegung der Arbeiter, denn bis dahin hatten sich vor allem Bürgerliche und Akademiker im Alpenverein organisiert“, sagt Hanle. Nach Deutschland kommt die Bewegung 1905. Im Juli 1914 gründet der Weilimdorfer August Alt eine eigene Ortsgruppe. Doch schon zwei Wochen später beginnt der Erste Weltkrieg, das Vereinsleben steht bis 1919 still. Dann entstehen Musik-, Schuhplattler-, Volkstanz- und Jugendgruppen. Als unter den Nationalsozialisten alle Arbeiterorganisationen verboten werden, müssen sich auch die Naturfreunde-Verbände auflösen. Nach Kriegsende 1945 schließt sich der Weilimdorfer Ortsverband erneut zusammen.

Am Samstag, 19. Juli, feiert der Verein sein Jubiläum in der Lindenbachhalle. Bei Essen, Musik und Kabarett wird zusammen auf das vergangene Jahrhundert zurückgeschaut und ein Ausblick auf die nächsten Jahre gegeben. Eine Neuerung steht schon im nächsten Jahr an: Dann wird sich die Ortsgruppe Weilimdorf-Gerlingen mit den Naturfreunden Stuttgart vereinen. „Dann sind wir kein eigener Verein mehr, sondern eine Stadtteilgruppe. An unseren Aktivitäten in Weilimdorf wird sich aber nichts ändern“, betont Hanle. Ziel sei, dass bald alle 18 Stuttgarter Ortsgruppen zusammengeschlossen seien. Neben einer effektiveren Verwaltung erhofft sich Hanle vor allem eine stärkere Kinder- und Jugendarbeit. Eventuell werde dann eine hauptamtliche Kraft angestellt, die gezielt die Stuttgarter Jugend anspricht, „denn ohne Nachwuchs wird’s irgendwann schwierig“.