Wenn Asteroiden auf der Erde einschlagen, richten sie nicht nur gewaltigen Schaden an: Sie bringen womöglich auch die Evolution in Fahrt. Denn in den Kratern gibt es Mineralien und genügend Wärme.

Stuttgart - Für das Leben auf der Erde sind einschlagende Meteorite eine Katastrophe. Als am 15. Februar 2013 ein solcher Brocken bereits in der Atmosphäre explodierte, verletzte die Druckwelle in der russischen Stadt Tscheljabinsk und ihrer Umgebung 1491 Menschen. Vor 66 Millionen Jahren löschte ein viel größerer Volltreffer sogar die Tiergruppe der Dinosaurier aus. „Trotzdem können solche Impakte auch positive Effekte für das Leben haben“, sagt der Geologe Martin Schmieder von der Universität von Westaustralien in Perth. Vom Aussterben der Dinos profitierten zum Beispiel die Säugetiere. Und einige Geologen und Biochemiker spekulieren sogar, ob Meteorite nicht bei der Entstehung des Lebens ihre Feuerspur im Spiel hatten.

 

Einen solchen kosmischen Treffer hat Schmieder gerade unter die Lupe genommen. „Als die Dinosaurier noch lebten, traf ein großer Meteorit im heutigen Finnland auf die Erde und hinterließ einen Impakt-Krater mit rund 23 Kilometern Durchmesser“, erklärt er. Bisher wussten Geologen aber nur auf einige Millionen Jahre genau, wann dieser Lappajärvi-Krater entstanden ist. Um mehr zu erfahren, schickte der Geologe im Krater gewonnene Gesteinsproben von seiner bisherigen Forschungsstätte an der Universität Stuttgart an seinen Kollegen Fred Jourdan von der Curtin-Universität in Perth. Und weil das Geologie-Institut in Stuttgart seit 2003 abgewickelt wird, folgte der Wissenschaftler seinen Proben nach Australien.

Dort gilt Fred Jourdan als einer der führenden Spezialisten, um das Alter solcher Krater anhand von Argon-40-Atomen zu bestimmen. Dieses Edelgas entsteht im Laufe der Jahrmillionen aus dem in der Natur vorkommenden radioaktiven Isotop Kalium-40. Da Geologen genau wissen, wie schnell das passiert, können sie aus der Menge des entstandenen Argons genau bestimmen, wann ein Mineral zu Stein erstarrt ist. Solange das Gestein flüssig ist, entweicht das Argon-40, das gebildet wird. Wird das Gestein fest, werde die Uhr gestartet, erklärt Schmieder.

Ein Einschlag stellt die innere Uhr des Gesteins auf null

Als vor 14,8 Millionen Jahren ein Brocken mit einem Durchmesser von rund einem Kilometer in das heutige Süddeutschland einschlug, entstanden Temperaturen von einigen Tausend Grad und eine gewaltige Glut- und Druckwelle fegte mit einer Geschwindigkeit von vielleicht 600 Kilometern in der Stunde durch das Land. Sie tötete im Umkreis von 100 Kilometern vermutlich alle größeren Tiere und verbrannte die meisten Pflanzen. Im Zentrum des Einschlags verdampften und schmolzen einige Milliarden Tonnen Gestein, und am Ende hatte der kosmische Treffer einen Krater mit 24 Kilometer Durchmesser in die Erde gerissen, der heute als Nördlinger Ries bekannt ist. Bei dieser Gelegenheit wurde die Argon-40-Uhr auf null gestellt.

Vom Einschlag des Asteroiden in Finnland ist weniger bekannt, er ähnelt aber dem Treffer in Schwaben vor 14,8 Millionen Jahren. „Ich nenne ihn daher gern Nördlinger Ries des Nordens“, schmunzelt Martin Schmieder. Als Fred Jourdan dann die Argon-40-Mengen in der erstarrten Gesteinsschmelze ermittelte, konnten die Forscher ausrechnen, dass die Uhr dort seit 76,2 Millionen Jahren läuft. „Es können auch 290 000 Jahre mehr oder weniger sein“, fasst Martin Schmieder zusammen. Das Alter des Lappajärvi-Kraters ist jetzt also viel genauer bekannt als bisher.

Die beiden Forscher hatten allerdings zusätzlich einen grobkörnigen Granit untersucht, in dem eindeutig Blasen im einst geschmolzenen Kali-Feldspat zu erkennen sind. Dort zeigt die Argon-40-Uhr ein deutlich jüngeres Alter. Der Grund dafür liegt für Geologen auf der Hand – und er weist indirekt darauf hin, welche Bedeutung solche Einschläge für die Entwicklung des Lebens haben: Der Feldspat bleibt länger geschmolzen und lässt so das Argon-40 länger entweichen als das übrige geschmolzene Gestein, das nach dem Einschlag schnell erstarrt. Bei Feldspat beginnt die Argon-40-Uhr erst wieder zu ticken, wenn die Temperatur auf 230 bis 410 Grad gesunken ist. Das kann Schmieder und Jourdan zufolge einige Hunderttausend oder sogar mehr als eine Million Jahre dauern – länger, als Forscher bisher vermutet haben.

„Allerdings darf man nicht von dieser Untersuchung an einem Krater auf alle anderen Impakte ähnlicher Größe schließen“, erklärt Christian Köberl von der Universität Wien und dem Naturhistorischen Museum in der Hauptstadt Österreichs. Häufig treffen Meteoriten auf Sedimentgestein, das relativ viel Wasser enthält. Dort spritzt ein großer Teil des geschmolzenen Gesteins weg, und der kleine zurückgebliebene Rest kühlt schnell ab.

In den Kratern dampfte es Hunderttausende von Jahren

Solche Sedimentgesteine haben sich jedoch erst im Laufe vieler Jahrmillionen auf der Erde gebildet. Auf dem Urplaneten gab es sie noch nicht. Damals könnten kosmische Treffer vom Kaliber Lappajärvi und Nördlinger Ries also häufig große Mengen geschmolzenen Gesteins in ihren Kratern hinterlassen haben, in denen einige Hunderttausend Jahre lang heiße Flüssigkeiten und Dämpfe kreisten. „Genau solche Strukturen könnten als natürliche Laboratorien eine wichtige Rolle beim Entstehen von Leben gespielt haben“, vermutet Schmieder.

Wie die ersten biologischen Moleküle entstanden sind, aus denen alle Lebewesen von Bakterien bis zum Menschen aufgebaut sind, weiß bislang niemand genau. Es gibt aber einige Theorien. Eine davon besagt, dass Leben bei relativ hohen Temperaturen im Zusammenhang mit verschiedenen Mineralien wie dem aus Eisen und Schwefel bestehenden Pyrit entstanden sein könnte. „Unserer Meinung nach könnten solche Einschlagskrater vor mehr als drei Milliarden Jahren daher ideale Bedingungen für das Entstehen und die Entwicklung von Mikroorganismen geboten haben“, meint denn auch Fred Jourdan.

Die Zeit für diesen ersten Entwicklungsschritt des Lebens könnte vorhanden gewesen sein, zeigt die Studie der beiden Forscher in Perth. Und auch die richtigen Zutaten kann es in großen Meteoritenkratern geben, erklärt Martin Schmieder: „Im gleichzeitig mit dem Nördlinger Ries entstandenen, rund 40 Kilometer entfernten Steinheimer Becken finden wir zum Beispiel einigen Pyrit, aber auch Phosphate und Kohlenstoff, also Substanzen, die viel früher möglicherweise eine Rolle beim Entstehen von Leben gespielt haben.“