Der Energiekonzern EnBW unterstützt den Naturschutz. In den vergangenen Jahren sind 400 000 Euro in ein Projekt geflossen – Umweltverbände wie der BUND sehen das dennoch kritisch.

Böblingen - In der dicht besiedelten und von zahlreichen Straßen durchschnittenen Region haben es Umweltschützer schwer, genügend neuen Lebensraum für Flora und Fauna zu unterhalten und zu schaffen. Das Biotopnetz gleicht weitgehend einem Flickenteppich. Die Konsequenz: Erst jüngst wurde ein drastischer Rückgang von Reptilien- und Amphibienarten beklagt. Vor Kurzem hat nun der Energiekonzern EnBW mit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) das hundertste Projekt des Förderprogramms „Impulse für die Vielfalt“ im Land in die Wege geleitet: die Sanierung und die Neuanlage von Teichen zum Schutz von Springfröschen, Kammmolchen und Wechselkröten in Herrenberg. Die Umweltverbände beurteilen das Engagement des Energiekonzerns jedoch ziemlich unterschiedlich.

 

Der BUND lehnt eine Unterstützung durch die EnBW ab

„Wir hätten nicht das Geld aufgebracht, um bei uns ein neues Gewässer anzulegen“, sagt etwa Leif Schall, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Naturschutzbunds (Nabu) von der Ortsgruppe Waldenbuch/Steinenbronn. Dort konnte mit der Unterstützung der EnBW im vergangenen Jahr ein neuer Tümpel angelegt werden. Die Gelbbauchunke habe sich bereits angesiedelt, so Schall, und auch Libellen seien gesichtet worden. Schall und seine Naturfreunde warten nun, bis es im Gewann Betzenberg auch wieder Kammmolche und Laubfrösche gibt. „Wir wollen einen Biotopverbund mit den Böblinger Kollegen schaffen“, sagt Leif Schall. Dabei sei jeder Euro willkommen. „Bei aller Skepsis gegenüber dem Großkonzern“, räumt er ein. Er wolle sich aber keinesfalls kritisch gegenüber den Geldgebern äußern.

Das tut jedoch Ralf Stolz, der Hauptgeschäftsführer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg. „Die EnBW gehört nach meiner Kenntnis durchaus zu den Unternehmen, die aus strategischen Gründen immer wieder solche Projekte unterstützen, insbesondere im Bereich des Amphibienschutzes. Der BUND lehnt eine solche Unterstützung durch die EnBW aus fachlich-politischen Gründen ab“, erklärt Stolz. Der Energiekonzern betreibe schließlich Atom- und Kohlekraftwerke. Und gegen diese wenden sich bekanntlich die Umweltschützer vehement.

„Keinen Überblick über Sponsoren“

Sicherlich gebe es immer wieder Firmen, die Naturschutzprojekte unterstützten, sowohl solche von Naturschutzverbänden als auch des Staates und der Kommunen, führt Stolz weiter aus. „Einen Überblick darüber haben wir leider nicht, und ich fürchte, dass es niemanden gibt, der einen hat“, fügt er hinzu.

Etwas anders verfährt offenbar der Nabu. Er hat für die zurückliegenden Jahre die Sponsoren notiert. Die EnBW kommt in der Liste allerdings nicht vor – sie arbeitet mit der Landesanstalt für Umwelt und Naturschutz zusammen. Für hundert Projekte hat die EnBW aber insgesamt 400 000 Euro hingeblättert. Wie der BUND behält sich auch der Nabu vor, zu entscheiden, von welchen Firmen Spenden angenommen werden, und stellt klar: „Durch die Annahme einer Zuwendung oder die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen trifft der Nabu keinerlei Aussage über die Naturschutzaffinität eine Firma.“

Umweltorganisationen können sich bei der EnBW bewerben

„Wir verstehen Umwelt- und Naturschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das bedeutet, dass auch Wirtschaftsunternehmen ihren Teil dazu beitragen müssen“, lässt Johannes Enssle verlauten, der Nabu-Landesvorsitzende, ohne näher auf das Engagement der EnBW einzugehen.

Der Energiekonzern initiierte das Projekt für die Artenvielfalt im Jahr 2011 und weist darauf hin: „Baden-Württemberg ist Heimat von 19 der 20 in Deutschland vorkommenden Amphibienarten und elf der 13 vorkommenden Reptilienarten. Daher haben wir hier im Südwesten eine besonders hohe Verantwortung, uns für deren Lebensräume einzusetzen.“ Die EnBW gibt einen Flyer heraus, der an die Umweltschutzorganisationen verteilt wird, damit sie sich mit Projekten um Geld bewerben können.

Naturschutzprojekte in Esslingen und Ludwigsburg

Die Pädagogische Hochschule in Ludwigsburg etwa kam dabei zum Zug, ebenfalls die Stadt Esslingen. Die Ludwigsburger Protagonisten des Fachbereichs Biologie legten im Jahr 2015 einen Springfroschteich an, erhielten dafür von der EnBW 5400 Euro und melden die erfolgreiche Ansiedlung. Nach Esslingen floss ein Betrag von 26 700 Euro für ein Amphibienschutzprogramm, das laut Heike Reim vom städtischen Grünflächenamt ebenfalls von dauerhaftem Erfolg gekrönt war.

Im Jahr 2012 wurden mit finanzieller Unterstützung des Energieunternehmens an elf Standorten im Schurwald je drei Tümpel für die Gelbbauchunke angelegt. „In den drei Jahren zuvor hatten Biologen nur noch wenige Nachweise deser landesweit stark gefährdeten Amphibienart gefunden“, berichtet Reim. Schon kurz nachdem die Teiche angelegt gewesen seien, habe es Larven und Jungtiere gegeben. Die Stadt baute danach das Biotopnetz aus. Die aktuellen Kontrollen ergaben, dass sich der Tierbestand weiter verbessert hat. An zahlreichen Standorten tummeln sich nun Gelbbauchunken. Außerdem stießen die Biologen auf Berg-, Teich- und Fadenmolche sowie auf Grasfrösche und Erdkröten.

Zuschüsse von Firmen an den Nabu

Förderung
: Bei der Unterstützung von Naturschutzprojekten gehen Firmen Kooperationen etwa mit dem Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg ein. Anders als der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der offenbar keine Liste über Zuschüsse führt, hält der Nabu die Zuwendungen fest und macht diese öffentlich.

Daimler
: Laut dem Nabu-Bericht ermöglichte der Automobilkonzern mit einer Spende von insgesamt 920 000 Euro, verteilt über die Jahre 2012 bis 2014, die Renaturierung zweier Moorgebiete in Baden-Württemberg (Bodenmöser im Allgäu, Hinterzartener Moor im Schwarzwald).

Rewe
: Die Handelskette unterstützte im Jahr 2015 Bildungsmaßnahmen zum Thema Umwelt im Naturschutzzentrum Federsee im oberschwäbischen Bad Buchau mit 15 000 Euro.

Sparkassenverband:
Der Landesverband taucht in der Nabu-Liste im Jahr 2016, 2015 sowie 2014 jeweils mit Zuschüssen von 5000 Euro für das Nabu-Biospärenmobil und für das Projekt „3x mehr Natur“ mit 6000 Euro auf.

Weitere Spender: m
Darunter sind Carl Zeiss Sport Optics, der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg, die Firmen Wesser und Liebherr, die Star Engergiewerke Rastatt, die Reinhold-Beitlich-Stiftung und die Schwörer-Stiftung, die in den vergangenen fünf Jahren verschiedene Nabu-Projekte mit insgesamt rund 90 000 Euro unterstützten.

Kommentar: Jeder Euro für die Umwelt zählt

Spendenpolitik - Geld stinkt nicht, lautet ein Sprichwort. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sieht das anders. Er lehnt den Energiekonzern EnBW als Sponsor ab. Auch die Spitzenfunktionäre des Naturschutzbunds (Nabu) haben offenbar ein Problem, Umweltprojekte von dem Betreiber von Atom- und Kohlekraftwerken finanziell fördern zu lassen. Sie sind damit ganz gehörig auf dem falschen Dampfer. Selbst wenn die EnBW ihre Spendenbereitschaft als Feigenblatt für ihre Konzernpolitik benutzt und mit ihrem Engagement in gutem Licht da stehen möchte – das Geld wird von den Ehrenamtlichen des Nabu vor Ort gerne genommen, damit sie neue Teiche für Kröten, Frösche und Molche anlegen können.

Zu Recht. Sich für neue, umweltfreundliche Energien einzusetzen ist das eine. Es schließt auf der anderen Seite nicht aus, Geld für Naturschutzmaßnahmen von ebenjenem Unternehmen zu kassieren, der wegen seiner Geschäftspolitik in der Kritik steht. Denn im Endeffekt zählt jeder Euro, der für die Natur eingesetzt wird.

Die Umweltverbände sollten über ihren Schatten springen, auch der Nabu, der in manchen Ortsverbänden vom EnBW-Geld profitiert – und die Unterstützung ganz offiziell anerkennen. Andererseits sind die 400 000 Euro verteilt auf fünf Jahre nicht eben besonders viel angesichts der Notwendigkeit, die Natur zu erhalten. Die Firmen sollten mehr in die Pflicht genommen werden: Es ist also viel Luft nach oben.