Die „Initiative Greutterwald“ protestiert am Freitag gegen den Verkehr im Naturschutzgebiet. Seit 1984 sind die 151 Hektar Wald und Streuobstwiesen zwischen Stuttgart-Weilimdorf und Zuffenhausen geschützt, doch immer noch dürfen dort Autos fahren.

Stuttgart Norden - Die faszinierende Fülle von Lebewesen im Gebiet Greutterwald und deren hochvernetzte Beziehungen untereinander beeindruckten 1984 auch den damaligen Oberbürgermeister Manfred Rommel und Manfred Bulling, seinerzeit Regierungspräsident. „Angesichts der fortschreitenden Gefährdung von Tier- und Pflanzenarten ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Naturschutzes gewachsen“, schrieben sie damals, als das Naturschutzgebiet Greutterwald ins Leben gerufen wurde.

 

Heute, 32 Jahre später, fahren immer noch Autos durch das 151 Hektar große Naturschutzgebiet, in dem es laut Verordnung unter anderem verboten ist „ohne zwingenden Grund Lärm, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen zu verursachen“. Das möchte die „Initiative Greutterwald“ ändern, bislang mit Demonstrationen, einer Unterschriftensammlung und eigener Internetseite. Und am kommenden Freitag, 26. Februar, von 16 bis 17 Uhr mit einer Menschenkette entlang des Vicinalwegs durch den Wald. „Unsere Intention ist, das Naturschutzgebiet vom Pendler-Durchgangsverkehr zu befreien“, sagt Peter Berg, einer der Initiatoren. Für den Verkehr bleibt der Verbindungsweg zwischen Weilimdorf und Zuffenhausen an dem Tag zwischen 15.30 und 17.30 Uhr gesperrt. „Damit soll die Sicherheit der Teilnehmer der Menschenkette gewährleistet werden, aber das hat natürlich auch eine symbolische Bedeutung“, sagt Berg. Die Aufstellung zur Menschenkette soll sowohl von der Weilimdorfer Gref- als auch von der Marconistraße in Zuffenhausen her erfolgen. Zur Teilnahme rufen auch der ADFC Strohgäu sowie der BUND Stuttgart auf. „Wir unterstützen die Aktion und das Anliegen, weil das Naturschutzgebiet durch den Verkehr stark entwertet wird“, sagt Gerhard Pfeifer, Regionalgeschäftsführer des BUND.

Nokia möchte an dem Durchfahrtsrecht festhalten

Dass überhaupt Autos durch das Naturschutzgebiet fahren dürfen, geht auf einen Vertrag zurück, den die Stadt 1963 mit der SEL AG abgeschlossenen hat. Nach mehreren Übernahmen gehört das Unternehmen mittlerweile zum finnischen Konzern Nokia. Dort möchte man an dem Vertrag festhalten, der werktags die Durchfahrt morgens von 6.30 bis 8 Uhr und nachmittags zwischen 15.30 und 17.30 Uhr erlaubt, teilt eine Sprecherin des Unternehmens mit. Die Stadt hat zwar ein Widerrufsrecht, vertraglich vereinbart ist aber, dass sie davon nur Gebrauch machen wird, wenn dringende öffentliche Gründe vorliegen oder Anordnungen der Polizeibehörde es erfordern. „Es ist nicht geplant, das Vertragsverhältnis kurzfristig zu kündigen“, sagt Sven Matis, Pressesprecher der Stadt. Nach Ansicht Gerhard Pfeifers liegt mit dem Natur- und Artenschutz indes längst ein dringender öffentlicher Grund vor, da der Greutterwald mittlerweile auch nach EU-Recht streng geschützt sei.

Abgeschlossen wurde der Vertrag einst, um den Betriebsangehörigen von SEL eine günstigere Zu- und Abfahrt zum Werksgelände zu ermöglichen. Das Grundstück gehört inzwischen größtenteils Porsche. Das Automobilunternehmen hat sich nun der Problematik angenommen und angeregt, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, sagt Porsche-Sprecher Lukas Kunze. Bislang ohne Erfolg. „Aus meiner Sicht gibt es morgens überhaupt keine Notwendigkeit, durch das Naturschutzgebiet zu fahren“, sagt Kunze. Am Nachmittag hingegen seien die Straßen rund um das Porschewerk oft so überlastet, dass man den Vicinalweg als zweite Abfahrtsmöglichkeit vom Werksgelände brauche. Noch. Denn 2017 solle die Unterführung unter dem S-Bahn-Gleis fertig werden, durch die der Verkehr vom Betriebsgelände in Richtung Nordseestraße abfließen könne. Dann sei die Erschließung über den Greutterwald komplett verzichtbar, sagt Kunze.

Bis dahin plädiert Porsche dafür, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit dort von 50 auf 30 Stundenkilometer zu senken. „Allerdings sind wir nicht Vertragspartner und können das nur anregen“, erklärt Kunze. Zudem habe man der Stadt schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, die Kreuzung Lorenz-/Schwieberdinger Straße geringfügig umzugestalten, um einen besseren Verkehrsfluss zu erreichen. Da es sich um öffentliche Straßen handle, könne das Unternehmen aber nicht selbst tätig werden, sagt der Porsche-Sprecher. Dabei müsste seiner Meinung nach dringend was getan werden: „Die Zeit spielt gegen den Artenschutz.“