In Göppingen sind am Samstag knapp 150 Neonazis durch die Stadt marschiert. Sie wurden von einem breiten Polizeiaufgebot begleitet. Ihre Anreise war von einer breiten Gegenwehr von Bürgern und Demonstranten verzögert worden.

Auch in diesem Jahr sind wieder Menschen verletzt worden, auch in diesem Jahr sind Rechtsextremisten durch Göppingen marschiert und haben ihre Parolen skandiert – doch im Gegensatz zum vergangenen Jahr scheint die Polizei die Lage diesmal insgesamt besser im Griff gehabt zu haben. Ein großer Teil der nordwestlichen Innenstadt, vom alten Güterbahnhof über den Zentralen Omnibusbahnhof, die Grabenstraße bis über den Schillerplatz hinaus war abgesperrt.

 

Für die Gegendemonstranten gab es deswegen kaum eine Chance auch nur in die Nähe der Rechtsextremisten zu kommen. Dafür gab es immer wieder Zusammenstöße mit der Polizei, als die meist jungen Leute versuchten, die Absperrungen zu überwinden. Laut der Polizei flogen Flaschen, Steine und Böller, mehrere Beamte wurden dadurch verletzt. Auf der anderen Seite erlitten Demonstranten Verletzungen durch Schlagstöcke und Pfefferspray.

Insgesamt 141 Neonazis wurden von der Polizei direkt vom Bahnhof hinter großen Absperrungen zum Schillerplatz gelotst. Ihre Anreise wurde im Vorfeld um einige Stunden verzögert: Gegendemonstranten hatten die Gleise westlich von Göppingen zunächst bei Reichenbach (Kreis Esslingen) mit brennenden Reifen blockiert, später lagen Holzpaletten auf der Strecke. Nachdem diese weggeräumt worden waren, stellten sich Gegendemonstranten auf die Gleise. Ein Zug wurde beschädigt, als Unbekannte dessen Fenster mit Steinen einwarfen. Auch der Zugverkehr aus Richtung Ulm endete kurzzeitig in Göppingen, was die chaotische Situation dort verschärfte: Neben Polizisten und Gegendemonstranten irrten Menschen in Dirndl und Lederhosen durch die abgesperrte Stadt, die eigentlich auf das Cannstatter Volksfest gewollt hatten, aber in Göppingen den Zug verlassen mussten.

Polizei kesselt Gegendemonstranten ein

Jeweils zwischen 30 und 50 Gegendemonstranten wurden derweil von Polizisten an drei Stellen in der Stadt eingekesselt, in der Unteren Marktstraße kurz vor dem Bahnhof, in der Nähe des Schillerplatzes beim Alten Kasten und in der Marstallstraße. Andere Gegendemonstrationen zogen weiter durch die Stadt und versuchten, die Absperrungen der Polizei zu durchbrechen. Die Polizei trennte sie durch zweifache Absperrungen mit einem Niemandsland dazwischen von den Neonazis.

Vielerorts fungierten übermannshohe Gitter, die mit weißen Folien bespannt waren als Sichtschutz. Stellenweise wurden auch Mannschaftsbusse der Polizei quer über die Straßen gestellt. Man wolle damit verhindern, dass sich die verfeindeten Gruppen gegenseitig aufstachelten, so der Polizeisprecher Rudi Bauer.

Noch vor Beginn der Nazidemonstration hatte es am Morgen Verletzte gegeben: Eine 15-Jährige Gegendemonstrantin aus Heilbronn saß weinend in einer Dönerbude. Sie sei in dem schmalen Durchgang des Alten Kastens von Polizei und anderen Gegendemonstranten an die Wand gedrückt worden und habe Pfefferspray ins Gesicht bekommen, erzählt sie fassungslos: „Solche Polizisten habe ich noch nie erlebt.“ Zwei junge Männer mit Kopfplatzwunden schilderten, wie sie unerwartet von hinten von Polizisten mit dem Schlagstock angegriffen worden waren, als sie versuchten, in Richtung der Absperrungen zu gelangen. „Und als ich auf dem Boden lag, habe ich noch Tritte abbekommen“, sagte einer der jungen Männer.

Treibjagden durch die Stadt

Mehrere Gruppen von Antifaschisten hatten zuvor die Gegen-Demonstration des Bündnis Nazis stoppen auf dem Bahnhofsvorplatz verlassen, stürmten durch die Fußgängerzone und zogen in Richtung Schillerplatz. Die Bürger, die sich vor dem Rathaus zu einer anderen, großen Kundgebung des Vereins Kreis Göppingen nazifrei, der SPD, der Grünen und der Gewerkschaften getroffen hatten, schüttelten resigniert die Köpfe. Kurze Zeit später war der zuvor noch gut besuchte Marktplatz leer, trotz des Musikprogramms und der Reden von Politikern aus der Stadt und dem Kreis.

Immer mehr Menschen zog es Richtung Schillerplatz, wo die Neonazis demonstrieren sollten. Doch die Polizei hatte den Platz längst abgesperrt. Die Zufahrtsstraßen waren ebenfalls dicht. Die Polizei wollte in diesem Jahr auf Nummer sicher gehen und Ausschreitungen wie im vergangenen Jahr auf jeden Fall verhindern. Über der Stadt kreiste deswegen seit dem Morgen ein Hubschrauber. Auch die meisten der großen Zufahrtswege aus Richtung Stuttgart waren bereits seit dem Morgen gesperrt. Und in der Stadt immer wieder das gleiche Bild: berittene Polizisten, Einsatzgruppen und Mannschaftswagen.

Weil der Marsch der Neonazis vom Bahnhof zum Schillerplatz wegen der zahlreichen Verzögerungen erst nach 15 Uhr beginnen konnte, kürzte die Polizei die zuvor ausgemachte Route ab. Zudem hatten die Beamten wegen der zahlreichen Störmanöver der Gegendemonstranten weniger Beamte vor Ort als geplant. Die Rechtsextremisten wurden deshalb vom Bahnhof zum Schillerplatz geführt, wo kurz vor 16 Uhr ihre Kundgebung begann. Danach ging es auf dem selben Weg wieder zurück zum Bahnhof. Gegen 18 Uhr endete der Spuk mit einer Abschlusskundgebung vor dem Bahnhof, die von einem lautstarken Pfeifkonzert jenseits der Absperrbande übertönt wurde. Dort standen immer noch rund 80 Gegendemonstranten mit Vuvuzelas und Trommeln. Die genaue Zahl der Verletzten und festgenommenen stand am Samstagabend noch nicht fest.