Nach massivem öffentlichem Druck will der Neckar-Elektrizitätsverband nun doch den Preis für die öffentlichen Laternennetze juristisch überprüfen lassen. Auf Kritik reagiert die NEV-Spitze aber weiter sensibel.

Stromnetz - Der Aufstand der Laternen-Rebellen ist offenbar von Erfolg gekrönt. Mehr und mehr Bürgermeister haben in den vergangenen Monaten mehr und mehr Bauchgrimmen bekommen bei den Verhandlungen über einen Rückkauf ihrer kommunalen Straßenbeleuchtungsnetze. Weil die Konzessionsverträge zur Jahreswende ausgelaufen sind, verhandeln zurzeit 120 Städte und Gemeinden in Nordwürttemberg darüber, wem die Laternen künftig gehören sollen – und vor allem: zu welchem Preis. Mit der Verhandlungsführung des Zweckverbands NEV, des Neckar-Elektrizitätsverbands, sind viele Rathauschefs aber unzufrieden. Das zeigte sich am Freitag bei der NEV-Verbandsversammlung in Denkendorf (Kreis Esslingen).

 

Auf Antrag des Sersheimer Bürgermeisters Jürgen Scholz – und mit informeller Unterstützung etlicher Kollegen – gelobte die NEV-Spitze Besserung. Der Verwaltungsrat werde eine Musterklage, mit der der Preis gedrückt werden soll, ausgiebig prüfen und die Kommunen dabei unterstützen, sicherte der NEV-Vorsitzende, der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger, zu. Im Gegenzug zog Scholz seinen formalen Antrag auf eine Musterklage zurück.

„Der Druck war groß genug“

Dennoch sieht Scholz sich als Sieger, der sich am Rande der Versammlung manches Schulterklopfen von Kollegen gefallen lassen durfte. „Wir können das Ergebnis der Prüfung in aller Ruhe abwarten“, sagte er nach der Sitzung, „der öffentliche Druck bei dem Thema war offenbar groß genug.“

Bei dem Streit geht es um nicht unerhebliche Summen. Geschätzte 50 Millionen Euro hat die Energie Baden-Württemberg (EnBW) den 120 Kommunen für die örtliche Straßenbeleuchtung in Rechnung gestellt. Nach Ansicht von Fachleuten und Bürgermeistern wäre ein halb so hoher Preis angemessen. Manche Rathauschefs sind gar der Meinung, dass die Kommunen über die Jahre hinweg einen Anspruch haben, die Laternen umsonst zu erhalten – immerhin spare sich die EnBW erhebliche Kosten für einen möglichen Abbau. Begehrlichkeiten weckte bei vielen vor allem ein Blick nach Baden: dort erhielten die Kommunen vor zwei Jahren ihre Netze umsonst zurück – dank der Verhandlung des Gemeindetags und eines speziellen Passus in den Konzessionsverträgen.

Der NEV-Chef will den Antrag „nicht schelten“

Bisher hatte der NEV sich gegen eine Musterklage gesträubt. Die Rechtsgrundlage sei dünn. „Unsere Rechtsberater haben bislang keine gute gesetzliche Grundlage dafür gesehen“, sagte der NEV-Vorsitzende Jürgen Zieger. Er wolle den Sersheimer Antrag aber „nicht schelten“.

Auch der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas, immerhin zweiter Stellvertreter Ziegers, versprach seine Unterstützung. Er gab unumwunden zu, sich mit dem Thema noch nicht vertieft befasst zu haben. Scholz und seinen Kollegen sicherte er aber „meine vollste Unterstützung zu“. Er wolle sich im NEV-Verwaltungsrat dafür starkmachen, dass der Zweckverband selbst klage. Falls er aber davor zurückschrecke und eine kleine Kommune selbst klagen wolle, dann müsse der Zweckverband mit seinem erheblichen Kapitalvermögen als Absicherung für sein Mitglied im Hintergrund bereitstehen – damit das Risiko überschaubar wird.

Kein Erfolg für Metzingen

Weniger Erfolg hatte ein Antrag der Stadt Metzingen. Sie hatte gefordert, dass der NEV künftig seine Bilanzen und die seiner Tochter-GmbH von einem Wirtschaftsprüfer kontrollieren lässt. Mit großer Mehrheit stimmten die anderen Mitglieder dagegen. Zieger sicherte dem Metzinger Rathauschef Ulrich Fiedler aber zu, seinen Antrag „inhaltlich voll zu unterstützen“ und im Verwaltungsrat zu diskutieren. Fiedler zeigte sich nicht zufrieden damit, „dass die heikle Frage jetzt in nichtöffentlicher Sitzung besprochen wird“.

Ein Zweckverband, der sich selbst gehört

Debatte - Erst nach der einstimmigen Wiederwahl des Vorsitzenden ist etwas Frieden eingekehrt. Nachdem der Esslinger OB Jürgen Zieger am Freitag als gesetzlicher Vertreter des Neckar-Elektrizitätsverbands (NEV) in Denkendorf (Kreis Esslingen) bestätigt wurde – verbunden mit einem Salär von 700 Euro monatlich –, trat er ans Mikrofon und gab sich versöhnlich. Er bitte um Nachsicht für seine „klare Sprache“, es liege ihm fern, „Kollegen zu diskreditieren“, beteuerte Zieger.

Zuvor war er allerdings weniger zimperlich gewesen. Die „klare Sprache“, die er für Kritiker der NEV-Politik fand, stieß manchen anwesenden Bürgermeistern sauer auf. Laut Zieger sind die von Kollegen geäußerten Vorwürfe „von großer geistiger Schlichtheit“. Dabei hatte sich einer der lautesten Kritiker, der Metzinger OB Ulrich Fiedler, nach Ansicht von Beobachtern alles andere als geistig schlicht präsentiert. Von Mitgliedern des NEV-Verwaltungsrats war am Rande der Sitzung gar zu hören, dass Fiedlers Antrag nicht die Unterstützung der Verbandsspitze erhalten habe, weil er fachlich zu komplex sei, um ihn auf die Schnelle zu beurteilen. So erhielt er nur 661 von 4026 Stimmen der anwesenden Mitglieder.

„Das Geld unserer Bürger“

Dass Fiedlers Wortmeldungen ihm nicht allzu gelegen kamen, ließ Zieger die Versammlung deutlich spüren. „Sie brauchen keinen Antrag zur Geschäftsordnung zu stellen, sie dürfen auch so sprechen“, sagte er, als der OB ans Mikro trat – um dort tatsächlich einen Antrag zur Geschäftsordnung zu stellen. Dass Fiedler sich hinterher bei der Aussprache nochmals zu Wort meldete, kommentierte Zieger mit den Worten: „Herrn Fiedler drängt es danach, den Antrag zu erläutern – bitte schön!“

Mit seinem Ziel, mehr Transparenz in das mit rund 125 Millionen Euro durchaus stattliche Vermögen des NEV zu bringen, provozierte Fiedler beim Vorsitzenden Zieger heftigen Widerspruch. „Wir verwalten hier immerhin das Geld der Mitgliedskommunen“, sagte Fiedler, „und letztlich ist es das Geld unserer Bürger.“ Ziegers Lesart ist eine andere. Das Aktienvermögen stehe niemandem zu als dem NEV selbst. „Der Zweckverband gehört sich selbst“, ließ Zieger wissen. Die Aussage verärgerte nicht nur einzelne Bürgermeister. Sie steht auch im Widerspruch zum Aktienrecht: nicht einmal eine Aktiengesellschaft darf 100 Prozent ihrer eigenen Anteile besitzen.

„Keine Kommune hat Geld eingezahlt“

Auch einem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (VGH) widersprach Zieger. „Sorry, liebe Kollegen: es gibt im NEV keine kommunalen Einlagen“, ließ Zieger wissen. Diese seien bereits 2002 an die Mitglieder ausgezahlt worden. Außerdem „sind nie mit einbehaltenen Konzessionsabgaben Aktien gekauft worden“. In einem Urteil zu einer Klage auf Beteiligung an besagter Ausschüttung im Jahr 2002 der Stadt Fellbach schreiben die Mannheimer Richter jedoch explizit, es wurden „Konzessionsabgaben auf ein Sperrkonto eingezahlt und die hier angesammelten Mittel zum Erwerb von Aktien der Neckarwerke eingesetzt“. Jürgen Ziegers Auslegung dieses Vorgangs: „Keine Kommune hat je einen Cent beim NEV eingezahlt.“

Im Übrigen gehe der NEV auch mit dem Aktienvermögen seiner Tochter-GmbH völlig transparent um, betonte Zieger, der dort im Alleingang als Gesellschafterversammlung fungiert. Dabei hatte der NEV noch vor wenigen Wochen seinen Mitgliedern von einem Gewinn der GmbH von rund 280 000 Euro berichtet, obwohl sie wegen des Wertverlusts der EnBW-Aktien faktisch ein Minus von knapp 1,8 Millionen Euro zu verbuchen hatte.

Nachdem die Stadt Metzingen dies als Verschleierung des Verbandsvermögens gegeißelt hatte, änderte die NEV-Spitze kurzerhand diesen Passus. Im Bericht des Geschäftsführers Rüdiger Braun wurde diese Korrektur aber mit keinem Wort erwähnt. „Über so eine wichtige Änderung bei einer GmbH würden wir unseren Gemeinderat informieren“, sagte Fiedler.