Nach heftiger Kritik an seinem bisherigen Bilanzgebaren will der Neckar Elektrizitätsverband mit seinen EnBW-Millionen offener umgehen.

Region Stuttgart - Nein, es sei leider nicht möglich, die Bilanzen des Zweckverbands öffentlich zu machen. Man wolle zunächst deren förmliche Verabschiedung bei der Verbandsversammlung am 8. November abwarten, hatte der Neckar Elektrizitätsverband NEV auf Anfrage unserer Zeitung vor vier Wochen mitgeteilt. Erst zur Jahreswende müssten die Bilanzen des NEV, dem 167 Kommunen und neun Landkreise in Nordwürttemberg angehören, und dessen Tochter-GmbH von Gesetzes wegen publiziert werden.

 

Inzwischen sind die Zahlenwerke doch aufgetaucht. Auf den ersten Blick sieht alles gut aus. Der Geschäftsverlauf der Tochter-GmbH sei „auch 2012 sehr erfolgreich“ gewesen, heißt es im Beteiligungsbericht des Verbands. Dort wird ein Jahresüberschuss von knapp 280 000 Euro ausgewiesen.

Völlig andere Rechnung

Doch was dort nicht steht: in der lange Zeit unter Verschluss gehaltenen Bilanz der Tochtergesellschaft taucht ein Verlust von knapp 1,8 Millionen Euro auf. Das Plus kommt lediglich zustande, weil der NEV die Bilanz um den Wertverlust der Aktien, die er an der EnBW hält (ein Minus von knapp 2,1 Millionen Euro) bereinigt hat. Diese Rechnung liegt den Sitzungsunterlagen für die Verbandsversammlung in gut zwei Wochen bislang nicht bei.

Ans Licht gekommen ist dieser Punkt durch die Stadt Metzingen. Da die Stadt Mitglied im NEV ist, konnte der Verband ihr die Herausgabe besagter Unterlagen nicht verweigern. Auch eine weitere Zahl taucht nirgendwo in den veröffentlichten NEV-Bilanzen auf: 27,5 Millionen Euro. So groß sei der Wertverlust des NEV-Vermögens seit dem Jahr 2011, hat die Metzinger Kämmerin Carmen Haberstroh berechnet. Damals wurde dem NEV angeboten, seine EnBW-Aktien für 41,50 Euro pro Stück zu verkaufen. Zahlreiche Kommunen wie Metzingen, Ditzingen, Göppingen, Ludwigsburg oder Schorndorf votierten damals für den Verkauf. Doch die große Mehrheit der Mitglieder war dagegen.

Börsenkurs hat stark verloren

Inzwischen sei der Börsenkurs auf 25,50 Euro gefallen, weshalb für die rund 1,7 Millionen Aktien nur noch 43,8 Millionen Euro zu erzielen seien. Für eine Stadt der Größe von Metzingen (22 000 Einwohner) komme das einem Kapitalverzehr von rund 360 000 Euro gleich. „Beim Umgang mit öffentlichen Mitteln ist Transparenz für mich nicht verhandelbar“, sagt der Metzinger Rathauschef Ulrich Fiedler. Seine Stadtverwaltung habe deshalb beim NEV einen Antrag gestellt, der die Transparenz verbessern soll: Veröffentlichung aller Bilanzen, Prüfung der Planwerke durch einen Wirtschaftsprüfer und regelmäßige Neubewertung des Verbandsvermögens sind die drei Kernpunkte.

Doch inzwischen hat der Zweckverband offenbar eine Kehrtwende gemacht. Er lasse „die Kritik durchaus gelten“, dass der NEV mit seinen Bilanzen nicht offen genug umgegangen sei, sagt der Esslinger Oberbürgermeister und Verbandsvorsitzende Jürgen Zieger (SPD). Bis dato habe sich schlicht noch niemand für diese komplexen Zahlenwerke interessiert. Mit ihrem Antrag auf mehr Transparenz mit den NEV-Bilanzen renne die Stadt Metzingen bei ihm offene Türen ein.

„Ziemlich dreiste Vorwürfe“

Doch den Vorwurf der Bilanztrickserei weise er strikt zurück. Die in den Bilanzen dargestellten Wertverluste seien „rein theoretische Zahlen“. Einen realen Wertverlust gebe es nicht, weil überhaupt nicht gesichert sei, dass es für die Aktien zum aktuellen Preis überhaupt Käufer gäbe. Die Vorwürfe des Kollegen Fiedler seien „schon ziemlich dreist“, sagt Zieger, „der NEV ist schließlich kein Börsenclub.“ Er brauche das Geld, um zu investieren, etwa in erneuerbare Energieanlagen.

Dass jüngst bei vielen Mitgliedskommunen Kritik laut wurde, kontert Zieger trocken: „Die wenigsten Kollegen sind sattelfest in diesem Thema.“ Es sei purer Selbstschutz des NEV, dass die 176 Mitglieder nicht einfach austreten dürfen, sondern dafür die Zustimmung der anderen Mitglieder brauchen. Wenn sie aber austräten, hätten sie keinen Anspruch auf eine anteilige Auszahlung des Verbandsvermögens – laut Bilanz immerhin rund 123 Millionen Euro. Die Kommunen hätten 2002 das von ihnen eingebrachte Geld ausgezahlt bekommen. Das übrige Vermögen habe der NEV selbst über Beratungshonorare verdient. Diesen Einwand will der Metzinger OB Ulrich Fiedler wiederum nicht gelten lassen: „Der Verband ist nur ein Zusammenschluss seiner Mitgliedskommunen.“


Zweckverbad NEV - Es ist begrüßenswert, dass der Neckar Elektrizitätsverband NEV mit seinen Bilanzen künftig offener umgehen will. Es war ohnehin kaum nachvollziehbar – und rechtlich fragwürdig –, warum er sich einerseits schützend wie eine Henne auf dem Ei auf seine Wirtschaftszahlen setzt, wo er doch andererseits angeblich nichts zu verbergen hat.

Offenbar gab es durchaus etwas zu verbergen. Bewusst oder unbewusst hat er die komplette Thematik des Wertverlustes seiner EnBW-Aktien bei den Unterlagen für die Mitgliederversammlung außen vor gelassen. Auch wenn es sich nur um bilanzrechtliche Korrekturen handelt, auch wenn das keinen realen, unmittelbaren Wertverlust bedeuten mag: die harsche Kritik aus Metzingen und anderen Kommunen ist letztlich nur der Ausfluss der Unzufriedenheit über ein ganz anderes Thema: wofür gibt es den NEV überhaupt noch?

Laut seiner Satzung hat der NEV die Aufgabe, „die Interessen seiner Mitglieder auf dem Gebiet der Elektrizitätsversorgung zu vertreten“. Nun haben etliche der 167 kommunalen Mitglieder längst eigene Stadtwerke – und folglich auch kein Interesse mehr daran, über einen Zweckverband weiter EnBW-Aktien zu halten, mit deren Dividende dann irgendwo Fotovoltaikanlagen gekauft werden. Doch davon unbeirrt hält der NEV den Deckel drauf. Ein Austritt muss erst bewilligt werden – aber eine Teil-Ausschüttung wird ausgeschlossen. Der Verband scheint außer diesen Formen von Zwang keine starken Argumente zu haben, um diese – meist größeren – Mitglieder zu halten. Insofern mag der Metzinger Vorstoß polemische Züge aufweisen. Aber er hat offenbar etwas bewirkt. Wenn der NEV seine Zahlen künftig transparenter macht, dann könnte sich die Zahl der Skeptiker im Verband durchaus erhöhen.