Der Neckar Käpt’n muss einen Steg ans Ufer am Mühlgrün verlegen. Für die Zukunft aber hat er Großes vor: Er plant ein neues Schiff und träumt davon, dass mit „Stadt am Fluss“ am Neckarknie ein „Wasserbahnhof und eine richtige Attraktion“ entsteht.

Bad Cannstatt - Die nasse Deutschland-Flagge der „Wilhelma“ flattert eher matt im Wind, die paar Leute an Deck zurren die Schals fest und ziehen die Kragen ihrer Winterjacken hoch. Aber lange bleiben sie bei diesem Februar-April-Wetter eh nicht draußen. Und lausiger war der Start in die Saison für Neckar Käpt’n Wolfgang Thie sowieso selten. „Wegen Unterfüllung geschlossen“, heißt es angesichts der gähnenden Leere an Bord trotzdem nicht: „Wir haben zum Saisonstart nur einmal nicht abgelegt. Da hat es an Ostern geschneit, und es waren nur zwei Leute da. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann das war“, sagt Thie, und zwar mit einem smarten Lächeln.

 

Macht der Neckar Käpt’n etwa auf Optimismus? Den könnte er schwer nötig haben nach drei sehr durchwachsenen Sommern. „Stimmt“, sagt er, „2013 hat uns das Hochwasser fünf Wochen gekostet, dann kam ein sehr regnerischer, kühler Sommer, und 2015 hat uns die Großbaustelle Rosensteintunnel auch einen sechsstelligen Betrag gekostet.“ Und nun kommt erst der Holzsteg weg, der die Anlagestelle am Neckarknie zur Sackgasse macht. Dann kommt auch noch die Bahn mit den Pfeilern für die Stuttgart 21-Stahlsegelbrücke, die ihn für mindestens zwei Jahre eines Stegs beraubt und teils ans andere Ufer treibt! Muss man da nicht ein starkes, hanseatisch-nüchternes Temperament haben, um nicht auch noch den letzten Fetzen Zuversicht davonflattern zu sehen?

Der Steg ist den Bauarbeiten der Bahn im Weg

„Tja“, seufzt der Mann von der Waterkant, der als „Elbe-Schwabe“ seit 19 Jahren am Neckar vor Anker liegt – und schwimmt schon wieder in Optimismus: „Da braucht man einen langen Atem! Aber ich sehe das positiv und denke daran, wie schön das hier werden kann, wenn alles fertig ist.“ In der Gegenwart aber beschäftigt ihn der Verlust von Steg 1, an dem bisher die „Wilhelma“ anlegt und der nun im Weg ist für die Vorarbeiten zum Brückenbau der Bahn. Geplant war, ersatzweise in der Flussmitte einen Pfahl sechs Meter in den Grund zu rammen. „Vor vier Wochen aber wurde entschieden, das lieber bleiben zu lassen“, sagt Thie. Der Grund: „Die Befürchtung war, dass man mit dem Pfahl auf Mineralwasser stößt, das dann in den Neckar sprudelt.“ Stattdessen bekommt der Neckar Käpt’n nun auf der anderen Uferseite, am Uferstreifen Mühlgrün, eine temporäre Anlegestelle zwischen Wilhelmsbrücke und Theaterschiff. Die Stromkästen sind bereits gesetzt, im Mai ist Umzug: Und wer das zu bezahlen hat, ist auch klar: „Die Bahn schränkt unseren Betrieb ein, also muss sie für Ersatz sorgen.“

Nebenbei steckt Thie mitten in der Konzeption für eine neues Schiff: „Ich brauche ein neues, großes Schiff das den heutigen Anforderungen entspricht“, sagt er. Dabei geht es um den Komfort, aber auch um hinreichend Platz für größere Gesellschaften und Events: „Wenn Dieter Zetsche mit 200 Daimler-Leuten kommt, dann kriege ich die kaum auf einer Ebene unter. Mit dem neuen Schiff aber habe ich einen Salon für 350 Personen.“ 50 Meter lang und elf Meter breit soll das neue Flaggschiff werden, 3,5 Millionen Euro soll es kosten, wofür Thie noch weitere Investoren sucht. Auf dem Neckar kreuzen soll es dann ab der Saison 2018.

Thie stellt sich einen Wasserbahnhof am Neckarknie vor

Der Gedanke daran beflügelt den Neckar Käpt’n schon jetzt: „Dann sind die Bauarbeiten weg, und dann könnte im Uferbereich an der Wilhelma eine tolle touristische Attraktion entstehen.“ Und Thies Imaginationen für die Zukunft sind ganz konkret: „Sitzgelegenheiten im Uferstreifen, schon von der Wilhelma her ein großer Bereich mit Aufenthaltsqualität, und eine richtige Attraktion wäre ein schwimmender Steg.“ Insgesamt denkt Thie „an eine Art Wasserbahnhof am Neckarknie“ – und an eine ganze Palette an neuen nautischen Attraktionen wie ein Schwimmbad-Schiff mit Sandstrand und Liegewiese, ein Schiff- und Party-Floß oder an ein Disco-Schiff. Und nicht zuletzt will er „Kultur an Bord“ wiederbeleben und auch dafür „Partner mit ins Boot holen“.

Zukunftsmusik, die aber „die entsprechende Infrastruktur braucht“, was Thie natürlich mit dem städtischen Projekt „Stadt am Fluss“ verknüpft: „Daran muss man jetzt denken. Das fehlt. Stuttgart denkt da viel zu kleinteilig. Da muss Pep rein! Und das muss gar nicht Millionen kosten, man könnte das in Schritten machen. Im Moment ist das alles noch sehr zäh“, klagt Wolfgang Thie und ergänzt: „Schauen Sie flussabwärts, nach Poppenweiler! Im Moment legt Ludwigsburg was vor.“ Einstweilen pflegt er seine Zuversicht: „Ich hoffe, dass da der Horizont noch aufgeht.“