Nach dem Bundesliga-Abstieg schlagen bei den Basketballern der Neckar Riesen Ludwigsburg die Wellen hoch. Der Experte Ion Nicolau plädiert im StZ-Interview für einen Führungswechsel – ohne Alexander Reil.

Ludwigsburg – Seit dem sportlichen Abstieg aus der Basketball-Bundesliga schlagen die Wellen bei den Neckar Riesen Ludwigsburg hoch. Besonders in der Kritik steht der Vorsitzende Alexander Reil, auch bei Ex-Trainer Ion Nicolau – der allerdings keine offizielle Position anstrebt.
Herr Nicolau, woran würden Sie den Misserfolg der Neckar Riesen mit dem Abstieg in der vergangenen Saison festmachen?
Meiner Meinung nach haben die falschen Personalentscheidungen über die letzten Jahre zum aktuellen Misserfolg geführt. Ich möchte jetzt nicht alles schwarzmalen, der Verein scheint finanziell stabil zu sein. Aber angefangen bei Spielern über Trainer gab es bis hin zu den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle ein großes Wechselkarussell. Da muss man sich schon fragen, wer dafür die Verantwortung trägt – zum Beispiel ein erster Vorsitzender.

Sie haben die vielen Trainerwechsel angesprochen. Welche Rolle spielten die?
Dem Verein mangelt es an einer eigenen Konzeption. Trainer kommen, versuchen etwas aufzubauen – und werden dann wieder entlassen. Was übrig bleibt, ist ein gesichtsloser Verein. Bei so vielen Trainern, die in den letzten Jahren in Ludwigsburg gearbeitet haben, ist das kein Wunder. Hinzu kommt, dass viele von denen umsonst bezahlt wurden, weil sie bereits vor Vertragsende entlassen wurden. Nach dieser schlechten Saison stellt sich für mich die Frage: Wer analysiert, wer urteilt aus sportlicher Sicht über die letzte Runde?

Gibt es denn kein Kontrollgremium im Ludwigsburger Basketball?
Es gibt einen Beirat, der aber hauptsächlich aus Politikern und Sponsoren besteht. Einen wirklichen sportlichen Leiter gibt es nicht. Es gibt natürlich auch einen ersten Vorsitzenden, Alexander Reil. Der ist aber gleichzeitig auch der zweite Vorsitzende und alleinige Vorstand. Dazu gibt es noch Wolfgang Röslin, den sportlichen Berater des Vorstands, der ebenfalls im Beirat sitzt. Aber es gibt keinen, der die Arbeit des Trainers analysiert und beurteilen kann, ob Fehler gemacht worden sind.

Alexander Reil ist die einzige Konstante. Seit der Saison 2007/08 geht es, gemessen am Tabellenstand, fast stetig bergab. Geben Sie ihm eine Mitschuld am Abstieg?
Er ist der Präsident – was soll ich mehr sagen? Es gab in den letzten Jahren einen deutlichen Abwärtstrend, der diese Saison im Abstieg gipfelte. Das sind Fakten – an denen muss sich Herr Reil messen lassen.

Wie stehen Sie zum Thema Wildcard? Sollte sich Ludwigsburg, falls es überhaupt eine geben sollte, dafür bewerben?
Auf jeden Fall. Ludwigsburg ist ein Traditionsstandort, an dem es Bundesliga-Basketball geben muss. Nichts gegen die zweite Liga (Pro A), aber das ist ein gewaltiger Unterschied. Wenn der Verein aber bis zur Mitgliederversammlung am 18. Juni diese Wildcard bekommen sollte, würden die Ludwigsburger das wohl als einen Erfolg von Alexander Reil verbuchen. Und da müsste ich widersprechen, denn sich mit 250 000 Euro eine Lizenz zu erkaufen, die man durch den Abstieg eigentlich verloren hatte, sehe ich nicht als Erfolg.

Was werfen Sie dem Management bei den Neckar Riesen konkret vor?
Zum Beispiel die Abfindungen für Trainer und Spieler, die längst nicht mehr für den Verein arbeiten. Oder auch das Beispiel von Terell Harris, der für zu schlecht befunden wurde. Er ging direkt nach der Absage zu den Miami Heat in die NBA und wurde dort auf Anhieb Meister. Wenn so etwas passiert, wird die Verantwortung in Ludwigsburg immer weitergeschoben. Vor der vergangenen Saison wurde der sportliche Leiter Mario Probst aus dem Amt genommen und das an den unerfahrenen Trainer Steven Key übertragen. Der Schuss ging, wie man heute sieht, nach hinten los.

Wen sehen Sie da in der Verantwortung?
Das ist ganz klar die Vereinsführung.

Was muss Ihrer Meinung nach im Ludwigsburger Basketball passieren, um wieder in die richtige Bahn zu kommen?
Der Verein braucht ein sportliches Konzept, das durchgezogen wird. Und darf sich nicht von einzelnen Personen beeinflussen lassen, die höchstens sechs oder zwölf Monate bei den Neckar Riesen sind. Der TBB Trier ist da ein gutes Beispiel: Der Trainer Henrik Rödl hat ein Konzept gehabt, mit dem sich die Mannschaft von einem Abstiegskandidaten zu einem Team im Mittelfeld entwickelte.

Bei all der Kritik – lief denn in den vergangenen Jahren im Ludwigsburger Basketball auch etwas gut?
Ja, zum Beispiel die Entwicklung der Basketball Akademie (BBA). Das ist ein hervorragender Unterbau für eine Bundesligamannschaft. Aber eben nur ein Unterbau, denn die Zwischenstation zwischen BBA und dem BBL-Team fehlt. Die Kooperation mit den Kirchheim Knights hat nicht besonders gut funktioniert. Wenn die jungen Spieler dort auf der Bank schmoren und wenig Einsätze bekommen, ist damit niemandem geholfen.

Es soll sich eine Opposition gefunden haben, die einen Führungswechsel plant. Inwieweit sind Sie als langjähriger Kenner des Ludwigsburger Basketballs dabei involviert?
Ich werde definitiv keine Funktion übernehmen, falls der Wechsel klappen sollte, ich werde nur meine Meinung sagen. Als 30 Jahre langer Mitarbeiter des Ludwigsburger Basketballs sehe ich es als ein Stück meines Lebenswerks an, deshalb bin ich emotional natürlich nicht ganz unbeteiligt. In jeder Firma hat derjenige, der das Geld gibt, etwas zu sagen. Die Stadt Ludwigsburg mit ihren Tochterfirmen ist Hauptsponsor – das Sagen aber hat Herr Reil.

Also muss er weg?
Ich betone noch einmal: Ich orientiere mich nur an Fakten. Zu meiner Zeit bei Ludwigsburg habe ich Herrn Reil geholfen, ihn begleitet und gefördert. Von daher kann ich nicht sagen, dass ich persönlich etwas gegen ihn habe. Aber objektiv sind wir an einem Punkt, wo ein Neuanfang gemacht werden muss.