Um die geplante Wohnbebauung auf dem Güterbahnhofsareal rechtlich abzusichern, sollen beim Volks- und Frühlingsfest künftig Münchener Regeln gelten.

Stuttgart - Die ökosoziale Mehrheit im Rathaus will beim Thema Lärmschutz am Neckarpark Nägel mit Köpfen machen. Mit den Stimmen von Grünen, SPD und SÖS/Linke hat sich der Ausschuss für Umwelt und Technik am Dienstag dafür ausgesprochen, Lärmgrenzwerte für das Frühlings- und Volksfest auf dem Wasen zu verschärfen. Als Vorbild für die neue Regelung, die noch ausformuliert werden muss, dienen entsprechende Vorschriften, die die Stadt München den Wirten und Schaustellern des Oktoberfestes auferlegt hat. Die neuen Grenzwerte sollen Klagen von Anwohnern vorbeugen und die friedliche Koexistenz zwischen dem Wasen und den benachbarten bestehenden und geplanten Wohngebieten gewährleisten.

 

Kehrtwende von CDU, Freien Wählern und FDP

Hintergrund der Debatte ist die vorgesehene Neubebauung des rund 22 Hektar großen Güterbahnhofsareals in Bad Cannstatt. Die Mischung aus Wohnungsbau und Gewerbe – seit acht Jahren in der Planung – war lange Zeit unumstritten. Im Februar dieses Jahres aber hatten die bürgerlichen Ratsfraktionen von CDU, Freien Wählern und FDP dann die Kehrtwende vollzogen und eine Reduzierung des Wohnbauanteils um zwei Drittel gefordert. Ihr Hauptargument für den Sinneswandel war, dass die an den Wasen und an die Mercedes-Benz-Arena angrenzende Bebauung aus Lärmschutzgründen das Aus für Großveranstaltungen bedeuten könnte, weil Klagen von Anwohnern zu befürchten seien. Auch Konzertveranstalter und Wasenbeschicker hatten die Wohnbaupläne kritisiert, der VfB gar eine Normenkontrollklage in Erwägung gezogen, weil er um die Austragung seiner Abendspiele fürchtete.

Dass die Bewohner im Cannstatter Wohngebiet Veielbrunnen schon heute Opfer der mitunter allzu lautstarken Bierzeltgaudi sind und man das Übel an den Wurzeln packen muss, hat die Stadtverwaltung gestern deutlich gemacht. Laut Bau- und Umweltbürgermeister Matthias Hahn haben Messungen ergeben, dass der Lärmpegel auf dem Wasen seit 2004 um sieben Dezibel auf bis zu 86 Dezibel angestiegen ist. In den Festzelten wurden teilweise bis zu 110 Dezibel gemessen – ein Wert, der an der akustischen Schmerzgrenze liegt und weder Besuchern noch den Beschäftigten dort zuzumuten sei.

Neue Lärmvorschriften für den Wasen

Gemäß der Zielvorgabe der Stadtverwaltung sollen die Festwirte nunmehr dafür sorgen, dass wie auf dem Oktoberfest bis 18 Uhr maximal 85 Dezibel und danach höchstens 90 Dezibel beträgt. CDU, Freie Wähler und FDP enthielten sich der Stimme und machten Informationsdefizite über das Münchener Modell geltend. Der Baubürgermeister zeigte sich verwundert: Im Unterausschuss Neckarpark sei darüber hinreichend informiert worden.

Die bürgerlichen Fraktionen hatten sich zuvor bemüht, ihre Volte beim Neckarpark zu rechtfertigen. Die Wohnungsnot in Stuttgart habe sich seit den 90er Jahren erheblich entspannt, so CDU-Stadtrat Philipp Hill. Sein Fraktionschef Alexander Kotz betonte: „Auf dem Wasen steppt der Bär, wir möchten da keine Einschränkungen haben.“ Im Übrigen sei das Gelände als Fläche für Gewerbebetriebe attraktiv. Der Fraktionschef der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, sekundierte: „Wir wollen keinen Bebauungsplan, der Prozessrisiken birgt.“

Vom VfB und den Wirten unter Druck setzen lassen?

Peter Pätzold (Grüne) dagegen sagte, mit entsprechenden Schallschutzmaßnahmen sei das Lärmproblem in den Griff zu bekommen, man halte am Bau von rund 450 Wohneinheiten fest. Einen Seitenhieb konnte sich der Grüne mit Blick auf das Projekt Stuttgart 21 nicht verkneifen:„Ich finde es prinzipiell gut, dass die CDU Projekte aus den 90er Jahren überdenken will.“ Die SPD-Fraktionsvorsitzende Roswitha Blind warf CDU, Freien Wählern und FDP vor, sie hätten sich vom VfB und den Wasenwirten unter Druck setzen lassen.

Was die Bedenken des VfB angeht, ziehen Stadt und Verein aber mittlerweile laut Hahn an einem Strang. Am 25.März sollen gemeinsame Messungen des Lärmpegels beim Heimspiel gegen Nürnberg den Nachweis erbringen, dass der Torjubel und die Lautsprecherdurchsagen die gesetzlich festgelegten Grenzwerte für ein Mischgebiet nicht überschreiten.