Levin goes lightly legt auf seinem zweiten Album „Neo Romantic“ mit reichlich Achtzigern und Psychedelic nach. Die „Wohnstadt Stuttgart“ wird der Stuttgarter Kunstfigur damit endgültig zu eng.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wenn die Rede vom schwierigen zweiten Album für irgendjemand stimmt, dann für Levin goes lightly. Nach der Release-Party im Sommer 2013 im Konzertwaggon am Nordbahnhof startete die Kunstfigur vom Stuttgarter Nordbahnhof ihren einsamen Siegeszug durch alternative Clubs, Kunstgalerien und bestens ausgeleuchtete Jazzbühnen.

 

Die düstere, monotone Atmosphäre aus Levins Videos setzt sich auf der Bühne unmittelbar fort. Live nahe am Shoegaze, also introvertiert auf den Boden starrend, vermittelt der Musiker auf fast unheimliche Weise eine sehr eigene Energie und Spannung. Will heißen: Da wurde viel versprochen und zum allergrößten Teil auch eingehalten. Jetzt warten alle auf das, was dem wohl nachfolgen mag. Am meisten wahrscheinlich Levin selbst, der ganz offen zugibt: Das zweite Album muss der Knaller werden.

Das Konzert zum Abschluss des Klinke-Festivals im vergangenen Sommer vermittelte bereits einen Eindruck von den Dingen, die da kommen würden: Levin stand nicht mehr allein auf der Bühne und auch nicht mehr an der Gitarre, sondern mit Begleitung und an der Farfisa-Orgel. Die Bühne war in lila Licht getaucht. Und der Sound ein anderer. Suicide fiel einem als erste Referenz ein:

 

Ist das noch Levin Goes Lightly oder ist das schon Suicide?

Posted by Jan Georg Plavec on Saturday, August 30, 2014


Der Eindruck täuschte nicht, wie das zweite Album zeigt. Am Donnerstag erscheint es, Name: „Neo Romantic“. Begriffsklärung: Wikipedia belehrt uns über Neoromanticism und um die Achtziger herum gab es mal die New Romantics (ebenfalls Wikipedia), modische Styler, die irgendwie anders sein wollten: Spandau Ballet zum Beispiel, Bowie wird auch genannt.

Nun hat Levin goes lightly nicht das Geringste mit Spandau Ballet zu tun. Sehr wohl aber mit Bowie (Kunstfigur!) und dem Sound aus dieser Zeit, späte Siebziger und frühe Achtziger. Die schon genannten Suicide sind definitiv eine Referenz, also New Yorker Elektropunk anno 77ff., New und No Wave auf ZE Records, kurzum: die Zeit und die Leute, die New Yorks Ruf als Subkulturstadt etabliert haben.

Traum und Albtraum

Dazu passt das Cover, ein Werk der Fotografin Ricarda Roggan: ein Auto, kaputt von einem Unfall, aber nur halb angeleuchtet, ganz viel im Ungefähren, Ungewissen. Traum und Albtraum sind auch die Themen des Stuttgarter Künstlers, und die monoton-repetitiven Strukturen in den Songs – oder besser Tracks? – sorgen für das rechte Psychedelic- respektive Krautrock-Gefühl. Ralv Milberg lässt grüßen, und eigentlich ist das die perfekte Herbst-Platte. Dass sie im Frühjahr erscheint - sei's drum.

„Speedways“, verdientermaßen die erste Single, weist über Suicide hinaus und lebt von seinem kühlen Sound und Levins markanter Stimme – Elvis trifft Ian Curtis, so haben wir hier einst geschrieben. Anton Newcombe vom Brian Jonestown Massacre hilft ein bisschen mit, den Song zu pushen. Es gibt auch ein schönes Video von dem Song, live eingespielt mit Protagonisten aus der Stuttgarter Szene:


Die auf Platte dominierende, unterkühlte E-Drums- und Farfisa-Soundästhetik zieht sich durch weite Teile des Albums. Gesangseinwürfe breiten sich hallig aus, Loops werden zigfach geschichtet: diese Musik kommt ohne Tageslicht aus. Und sie ist nicht nur wegen personeller Überschneidungen eine andere Seite derselben musikalischen Medaille, die man von Stuttgarter Acts wie Wolf Mountains, Die Nerven oder All diese Gewalt und Protagonisten wie Max Rieger oder Thomas Zehnle (der das Album wesentlich mitgestaltet hat) kennt: oh, dieser Sound!

Die Überraschung kommt am Ende, bei den Songs neun und zehn. Mehtap Avci leiht „Perfume“ ihre ganz wunderbare, unsicher-suchende, man könnte auch sagen verträumt-romantische Stimme. Darunter mäandert ein vom Bass getriebener und dank einer Art Triangel Richtung Himmel weisender Track, der auch eine halbe Stunde dauern könnte – man würde nur noch tiefer darin einsinken und die Welt noch ein Stück mehr vergessen.

Übertroffen wird das ganze nur vom letzten Song, „Flowers“. Ein fast unschuldig vor sich hin leuchtendes Instrumental, das immer wieder zurück in die Spur und zu der herrlich verwaschenen Gitarrenmelodie findet. Mit diesen beiden Songs, die auch gern weiter vorne ihren Platz hätten finden können, wird das Album erst richtig rund, klingt es wirklich wie ein großes Stück Popmusik, das hoffentlich seinen Weg aus der „Wohnstadt Stuttgart“ finden wird. In die weite Welt gehört es nämlich hin.


"Neo Romantic" von Levin goes lightly erscheint bei Treibender Teppich Records. Die Release-Party findet am Mittwoch, 6. Mai im Club Schocken in Stuttgart statt.

Levin goes lightly, "Neo Romantic" Cover


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