Worum es ihnen wirklich geht, haben die Neonazi-Gegendemonstranten am Samstag wie Spatzen von den Dächern gepfiffen. Bei Twitter bestimmten Radau und Krawall den Ton.

Göppingen - Wer am Samstag verhindert oder zu vorsichtig war, sich in die Göppinger Innenstadt zur Gegendemonstration gegen den Aufmarsch von rund 150 Neonazis zu wagen, aber dennoch auf dem Laufenden bleiben wollte, konnte die Vorgänge im Internet mitverfolgen – live. Die Polizei informierte via Facebook, die Nationalisten und die Antifaschisten twitterten. Vor allem die Nazigegner nutzen den Dienst mit den schnellen Kurznachrichten.

 

Eine andere Perspektive aufs Katz-und-Maus-Spiel

Die Tweets eröffneten zum einen eine andere Perspektive auf das diffuse Treiben rund um die Nazidemo in der Stadt. Wer die Kurznachrichten der Nazigegner mitverfolgte, ahnte aber auch schnell, worum es ihnen hauptsächlich ging: um ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Neonazis und vor allem mit der Polizei. Krawall und Randale wurden regelrecht heraufbeschworen.

Lageberichte im Sekundentakt gezwitschert

Über das Stichwort „#gpIn“ wird nahezu im Sekundentakt getwittert, wer sich wo aufhält (12:49, der Bus mit den Nazis wird jetzt zum Bahnhof gebracht), was die Polizei macht (14:04, In der Burgstraße steht ein Wasserwerfer) oder wohin man nicht gehen soll (Polizei versteckt sich in den Mörike-Anlagen). Die hinter Pseudonymen verborgenen Aktivisten, deren weitere Interneteinträge zeigen, dass sie durch zahlreiche Demos gut geübt sind, organisieren sich regelrecht via Twitter.

Fotos und Filme berichten live aus dem „Kriegsgebiet“

Aufgeheizt wird die Stimmung noch mit Verweisen auf Fotos und Livefilme, die auf anderen Portalen via Smartphones eingestellt werden. Sie gaukeln eine Objektivität vor, die aber nur aus einer ganz bestimmten Perspektive dokumentiert ist. Die Twitter-Nachrichten wirken wie Mitteilungen einer Kriegsberichterstattung, alles scheint authentisch, aber auch reißerisch. Nur selten gibt es mäßigende Nachrichten. Vielmehr machen rasend schnell Gerüchte von polizeilicher Gewalt und Willkür die Runde. Von mehr als 100 Verletzten ist dort die Rede, von niedergeknüppelten Demonstranten und davon, dass Sanitäter nicht durchgelassen würden oder sogar selbst verletzt worden seien. Schließlich wird vermeldet, dass ein Mann von Zivilpolizisten mit dem Auto angefahren worden sei. Wenig später kommentieren andere Nutzer diese Meldung als „verifiziert“, sprich: der Vorfall sei so passiert.

Polizei bestätigt Unfall – in anderer Version

Den Unfall bestätigt auch die Göppinger Polizei, aber in einer anderen Version. „Am Rande der Ausschreitungen am Theodor-Heuss-Platz haben Gegendemonstranten auf ein ziviles Polizeifahrzeug übergegriffen. Ein Mann ist auf die Motorhaube gesprungen und gestürzt. Er war scheinbar unverletzt und wurde aber zur Kontrolle vorsorglich in eine Klinik gebracht“, schildert Rudi Bauer von der Göppinger Polizei den Fall. Ansonsten habe er nur Kenntnis von sechs Verletzten, die von Rettungssanitätern behandelt worden seien. Die Zahlen im Netz könne er nicht bestätigen.

Krawallbrüder waren gut vorbereitet

„Die gewaltbereiten Gegendemonstranten haben sich übers Internet organisiert. Und sie haben sich schon Wochen davor darauf vorbereitet“, so Rudi Bauer weiter. Nicht zuletzt deshalb hat die Polizei auch die Taktik gewählt, die Nazidemo abzuriegeln und es nicht auf eine direkte Zusammenkunft von Nazis und Linken ankommen lassen. „Nach unseren Erkenntnissen im Vorfeld war klar, dass gewisse Gruppierungen sich nicht mit einer friedlichen Sitzblockade der Nazidemo zufriedengegeben hätten“, erklärt Bauer.