Wenn um 17 Uhr Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im US-Kongress ans Rednerpult tritt, werden viele ganz genau hinhören. Die US-Regierung hat Netanjahu im Vorfeld gewarnt, vertrauliche Informationen über die Atomverhandlungen mit dem Iran preiszugeben.

Washington/Tel Aviv - Die US-Regierung hat Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gewarnt, während seiner umstrittenen Rede vor dem US-Kongress vertrauliche Informationen über die Atomverhandlungen mit dem Iran preiszugeben.

 

Die USA hätten Israel regelmäßig über den Stand und Ablauf der Verhandlungen informiert, sagte Regierungssprecher Josh Earnest am Montag (Ortszeit) in Washington. "Die Veröffentlichung dieser Informationen würde das Vertrauen, das zwischen zwei Verbündeten besteht, missbrauchen."

Netanjahu will um 17 Uhr (MEZ) seine weltweit mit Spannung erwartete Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses halten. Erwartet wird, dass der Regierungschef seine tiefe Skepsis über die Verhandlungen und ein mögliches Abkommen äußern wird. Er befürchte eine "potenzielle Einigung mit dem Iran, die das Überleben Israels gefährden könnte", sagte Netanjahu bereits im Vorfeld.

Israel und die USA sind sich zwar einig, dass der Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen kommen darf. Wie dieses Ziel erreicht wird, ist zwischen beiden Seiten strittig. US-Regierungssprecher Earnest warf Netanjahu vor, dass er die Verhandlungen kritisiere, aber bislang keine Strategie vorgelegt habe, wie eine atomare Bewaffnung des Irans zu verhindern sei. Der "New York Times" schrieb am Dienstag, beide Regierungen lägen in ihrer Herangehensweise an den Atomkonflikt mit dem Iran so weit auseinander wie seit Jahren nicht mehr.

Obama bleibt Rede fern

Am Vormittag trafen sich US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif im schweizerischen Montreux zu weiteren Atomgesprächen. Die 5+1-Gruppe (die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland) haben noch bis Ende März Zeit für eine Einigung im Grundsatz.

Netanjahu hatte seine Rede vor dem Kongress nicht mit dem Weißen Haus abgesprochen und die US-Regierung damit schwer brüskiert. Weder US-Präsident Barack Obama noch andere hohe Regierungsmitglieder werden Netanjahu empfangen. Als Grund führen sie die bevorstehende Parlamentswahl in Israel Mitte März und den laufen Wahlkampf an.

Beide Seiten bemühten sich am Montag, die Differenzen mit versöhnlichen Äußerungen zu kaschieren. Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, sagte, der Bund zwischen Israel und den USA sei unzerbrechlich. Auch Netanjahu äußerte sich ähnlich.

Die "Washington Post" schrieb am Dienstag, dass die Unterstützung der Amerikaner für Israel weiterhin deutlich sei. Doch viele Wähler der demokratischen Partei von Präsident Obama hätten sich von Israel abgewandt. Mit seinem Verhalten habe Netanjahu Israel "an die Republikanische Partei gebunden".

Die israelische Opposition sieht Netanjahus Ansprache vor dem Kongress mit Sorge. Schelly Jachimowitsch vom Zionistischen Lager schrieb auf ihrer Facebook-Seite: "Benjamin, geh nach Hause. Spar dir den Schaden, den die Kongress-Rede anrichten wird." Jair Lapid von der Zukunftspartei sagte der Zeitung "Jediot Achronot" zufolge, Netanjahus Rede werde "den Sicherheitsinteressen des Staates Israel schaden".