Im neuen Film "Planet der Affen: Prevolution" erzählt Hollywood höchst provokant von Würde und Bewusstsein der Tiere.  

Stuttgart - Müde wirken die Handzeichen, resigniert, als spürten die Gestikulierenden, dass ihre Fähigkeit zur komplexen Kommunikation vorerst nur das Maß ihrer Erniedrigung vergrößert. In Taubstummensprache verkehren in dieser Schlüsselszene aus "Planet der Affen: Prevolution" zwei Primaten miteinander, ein Schimpanse und ein Orang-Utan, aus ihren Gitterkäfigen heraus, quer über den Gang eines Gebäudekomplexes hinweg, den man nur als Tierverlies bezeichnen kann.

 

Eine Schlüsselszene ist dies deshalb, weil hier zwei verschiedene Formen von Intelligenz einander gegenübersitzen. Der Schimpanse Caesar ist ein Laborprodukt. Der Biochemiker Will Rodman (James Franco) hat Caesar, das Überbleibsel der abgebrochenen Testreihe, einst als kleines Fellbündel nach Hause mitgenommen, um das in Gefangenschaft geborene Tier vor der Einschläferung zu retten. An Caesar aber manifestieren sich dann spektakuläre Folgen jener Alzheimer-Medikamente, mit denen seine Mutter geimpft wurde. Der Affe ist extrem intelligent und lernfähig, fast möchte man sagen, er wachse an Kindes statt im Hause Rodman auf. Er hat ein Bewusstsein seiner selbst, und er äfft keinesfalls nach, was er sieht, er beobachtet, analysiert, erprobt, wählt aus und verwirft. Man hat schon weniger bedachte Zweibeiner mit Vereinsfarbenschminke im Gesicht über S-Bahn-Steige torkeln sehen.

Bei Impfung Aufstand

Hinter Gittern landet Caesar, weil ihn Nachbarn und Behörden für gefährlich halten, weil ihm als bestialische, unberechenbare Wildheit ausgelegt wird, dass er menschliche Übergriffe auch einmal mit Gegenaggression beantwortet hat. Ginge es nur um ihn, könnte man Caesar immer noch als zugespitztes Symbol jener tierischen Würde sehen, die Menschen permanent verletzen. Aber Caesar wäre so doch ein Kinomonster, ein Wesen, dessen Aufbegehren wir in der Realität (noch) nicht kennen: bei Impfung Aufstand.

Der Orang-Utan aber, der Caesar gegenübersitzt, signalisiert mit seinen melancholischen Handbewegungen, er sei ein alter Zirkusaffe. Dies ist der eigentliche Blitzschlagmoment des Filmes, der uns aus dem bisherigen Denken reißen soll. Ein ganz normales Tier zeigt hier ein hohes Bewusstsein seiner selbst und die Fähigkeit zu abstrakten Denkmustern. Was folgt, der zunehmende Groll der Tiere, ihr Putsch, der wütende Zug einer immer mehr Leidensgenossen befreienden Affenarmee quer durch San Francisco, fußt eben nicht auf Caesars Besonderheit, sondern auf der Normalität des Tierbewusstseins. So provokant kennt man Hollywood kaum noch.

Vergleich zwischen Affen und Homosexuellen

Gewiss, "Prevolution", in dem nicht nur ein Intelligenzanreger für Tiere aus dem Labor entweicht, sondern auch eine für Menschen tödliche Seuche, kann man problemlos in die Chronologie der ab 1968 gedrehten "Planet der Affen"-Filme einreihen, in denen intelligente Primaten die Erde regieren und Menschen als Sklaven halten. Man braucht diesen Bezug aber gar nicht. Der vom Briten Rupert Wyatt ("The Escapist") inszenierte Film könnte man genauso gut als Hollywoods Reaktion auf Jonathan Safran Foers "Tiere essen" deuten. Das Drehbuch nimmt übrigens auch großzügig Anleihen bei Michael Crichtons letztem zu Lebzeiten des Autors veröffentlichten Roman "Next" aus dem Jahr 2007. Mit wie viel subversivem Witz hier gedreht wurde, zeigt eine mögliche Lesart des Films, die ab einem bestimmten Zeitpunkt so unübersehbar wird, dass manche Produzenten Korrekturen angemahnt hätten.

"Prevolution" erzählt vom wachsenden Selbstbewusstsein einer ausgegrenzten, denunzierten Alternativkultur. Weil er in der Schwulenmetropole San Francisco spielt, fallen einem schnell die Kämpfe von Schwulen und Lesben um Anerkennung ein. Der offene Kampf zwischen Affen und berittener Polizei auf Straßen und Brücken scheint dann ein ganz eigener Christopher Street Day zu werden. Diese Assoziation wird im Abspann böse zugespitzt. Eine Grafik mit gelben Pfeilen entlang dem globalen Flugverkehr zeigt uns, wie sich die Seuche ausbreitet. Diese Passage könnte aus einer HIV-Dokumentation stammen.

Verdientes Weltende

Sie ist aber nicht denunziatorisch, sondern sarkastisch gemeint. Nebenbei hält "Planet der Affen: Prevolution" der Propaganda der Tea-Party-Republikaner den Spiegel vor. Ja, spottet der Film, so stellt ihr euch das vor, wenn einmal die Werte nachjustiert und alte Ungerechtigkeiten ausgeglichen werden müssten, als Armageddon. Und er suggeriert: dieses Weltende hättet ihr euch redlich verdient.

Planet der Affen. Prevolution. USA 2011. Regie: Rupert Wyatt. Mit James Franco, Andy Serkis, Brian Cox, John Lithgow, Freida Pinto. 105 Minuten. Ab 12 Jahren. Cinemaxx Mitte und SI, Gloria, Ufa, OF Corso

Tricks und Mimik für "Planet der Affen"

Hintergrund: Planet der Affen

Freiheit

Die ursprüngliche Idee einer Affenherrschaft hatte der französische Autor Pierre Boulle („Die Brücke am Kwai“). Boulles 1963 erschienener Science-Fiction-Klassiker „Planet der Affen“ nutzte den Vorteil der Literatur: es gab keine physikalischen und handwerklichen Grenzen für die Fantasie.

Fellkostüme

Als „Planet der Affen“ 1968 ins Kino kam, galt er als Triumph der damaligen Maskenbildnerei. John Chambers erhielt einen Sonder- Oscar für die Affenmaskerade, die den in schwere Fellkostüme genähten Schauspielern eine halbwegs lebendige Mimik erlaubte.

Digitalaffen

Noch eindrucksvoller als in Tim Burtons Remake von „Planet der Affen“ (2001) kommt in „Prevolution“ der Bildcomputer zum Einsatz. Caesar ist eine digitale Übermalung des Schauspielers Andy Serkis, der die äffische Körpersprache wie derzeit kein zweiter beherrscht.