Erdhügel ist nicht gleich Erdhügel: Diese Erkenntnis gewinnen zwei junge Hausbesitzer, die im Neubaugebiet Hälde am Hang wohnen. Sie fühlen sich von der Gemeinde ungerecht behandelt – und drohen mit einer Klage vor Gericht.

Hemmingen - Im Neubaugebiet Hälde herrscht ein Nachbarschaftsstreit. Während die einen Hausbesitzer am Hang ihre Böschungen aufschütten dürfen, erteilt der Hemminger Ausschuss für Umwelt und Technik anderen eine Absage. So geschehen am Dienstagabend beim Bauantrag von Dominik Raba und Boris Jobi. Die beiden empfinden die Angelegenheit, die kurios anmutet, als ungerecht. Sie werfen der Gemeinde sogar Vetterleswirtschaft vor.

 

Den Stein ins Rollen gebracht hat Jörg Haspel. Im Sommer leistete der Gemeinderat (Freie Wähler) und Architekt Nachbarschaftshilfe, die er, wie er rückblickend sagt, besser unterlassen hätte. Dabei wollte er Eigentümern im Neubaugebiet Hälde bloß etwas Gutes tun, als er nach eigenen Worten ein „Dreckloch“ hinter ihrem Geräteschuppen mit Erde auffüllte. Aber das machte er ohne Baugenehmigung. Ein Nachbar zeigte ihn an. „Mich ärgert es, dass ich die Genehmigung nicht eingeholt habe. Es ging nur um zwei Kubikmeter Erde. Ich würde am liebsten alles rückgängig machen“, sagt Haspel heute.

Böschung als Schutz

Das Landratsamt hat wenige Wochen später die Baugenehmigung nachträglich erteilt und Haspel, wie er sagt, mit einer sogenannten Genehmigungsgebühr bestraft. Deren Höhe will er nicht nennen. „Das Errichten einer genehmigungspflichtigen Anlage ohne Genehmigung stellt nach der Landesbauordnung eine Ordnungswidrigkeit dar“, sagt der Landratsamtssprecher Andreas Fritz. Der Gemeinderat Hemmingen erteilte Haspel zudem eine Rüge. „Das Verfahren ist zu missbilligen“, sagt der Ortsbaumeister Josef Lang.

Verantwortlich für die Anzeige gegen Haspel sind Raba und Jobi. Sie sind empört über sein Vorgehen. Und nachdem der Ausschuss am Dienstag ihrem Bauantrag nur teilweise das Einvernehmen erteilt hat, sind sie erst recht sauer. Sie wollen am Ende ihres Gartens, der zur Grundstücksgrenze mit einer Böschung abfällt, ein Gartenhaus bauen und die Lücke dahinter mit Erde auffüllen. Das Gartenhaus dürfen sie bauen, doch dahinter nicht aufschütten. Denn der Bebauungsplan sieht die Böschung als Schutz vor: Den Bewohnern der tiefer liegenden Häuser soll nicht die Sicht durch hohe Stützmauern versperrt werden. „Es war von Anfang an nicht gedacht, dass die Eigentümer ihre Gartenfläche optimieren, indem sie das Grundstück auffüllen. Die Schräge muss bleiben“, sagt Ortsbaumeister Lang. „Allen Bauträgern war dieser Umstand bekannt.“ Das sehen Raba und Jobi ein. Sie können aber nicht nachvollziehen, warum sie nicht wenigstens das Loch hinter einem Gartenhaus auffüllen dürfen. „Meinem direkten Nachbarn sowie Herrn Haspel wurde die Auffüllung schließlich genehmigt“, sagt Raba.

Jene beiden Grundstücke sind Eckgrundstücke, die im 90-Grad-Winkel zueinander stehen. Auf dem Grundstück neben Raba steht ein Einfamilienhaus, daneben ein Mehrfamilienhaus, das Haspel verwaltet. Aus Rabas Sicht hat die Gemeinde Hemmingen nun zwei Präzedenzfälle geschaffen, die ihm und Jobi im Zweifelsfall mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Ludwigsburg zu ihrem Recht verhelfen sollen. „Die Gemeinde macht sich lächerlich. Vor Gericht bekommen wir sicherlich recht“, ist Dominik Raba überzeugt.

Ursprünglicher Gedanke ist hinfällig geworden

Ortsbaumeister Lang widerspricht. „Bei den beiden Grundstücken liegt eine Ausnahmesituation vor“, sagt er. Denn der Nachbar, der unterhalb wohnt, habe an der Grundstücksgrenze einen Geräteschuppen hingestellt. Das Loch dahinter darf laut Lang aufgefüllt werden, weil der Geräteschuppen eine Wand bildet. Damit erfülle er „den Zweck der Böschung“ und mache diese funktionslos. „Der ursprüngliche Gedanke, den unteren Nachbarn vor einer hohen Stützmauer zu schützen, ist damit hinfällig“, erklärt Lang. Diese Aufschüttung hat aber zur Folge, dass die Böschung der Erdgeschosswohnung darüber automatisch begradigt ist, zudem profitiert auch der Eigentümer nebenan – Rabas direkter Nachbar. Dessen Antrag zur Auffüllung des Lochs hat der Ausschuss Ende Juni genehmigt.

Auf eine ebenso positive Entscheidung hatte auch Raba spekuliert. Er versteht nicht, warum seine Böschung durch ein Gartenhaus nicht auch funktionslos werde. „Hier bewertet die Gemeinde gleiche Sachverhalte unterschiedlich“, sagt Raba. Ihn ärgert es auch, dass Haspel seine Bauarbeiten nicht rückgängig machen musste. „Das ist Vetterleswirtschaft“, kritisiert Raba – zumal eine Steinreihe zur Absicherung seines Hangs sofort beseitigt werden musste, da sie nicht dem Bebauungsplan entsprochen habe.

Nun entscheidet das Landratsamt

Außerdem vermuten Raba und Jobi, dass Bürgermeister Thomas Schäfer, der sein Grundstück unter dem Hang hat, sich durch eine Auffüllung gestört fühlen könnte. Sie glauben, er habe deshalb ein persönliches Interesse an der Absage ihres Bauantrags. Das Gemeindeoberhaupt weist die Vorwürfe zurück. „Der Bebauungsplan ist eindeutig. Mit seiner Festsetzung war alles gesagt“, betont Schäfer. Die Absage habe auch „nichts mit persönlichen Befindlichkeiten zu tun“.

Über das Nein zu Rabas und Jobis gewünschter Auffüllung entscheidet jetzt das Landratsamt. Sollte es der Ansicht des Hemminger Ausschusses folgen, werden die Nachbarn vor Gericht ziehen. Aufgeben wollen sie nicht.