Ein Kläger aus der Nähe von Ulm will sich nicht mit dem Tunnelbau unter seinem Grundstück abfinden, bekommt aber vor dem höchsten Verwaltungsgericht des Landes kein Recht. In einem vergleichbaren Fall in Stuttgart gaben zwei Kläger auf.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Ulm/Mannheim - Die obersten Verwaltungsrichter im Land haben am Donnerstag eine weitere Klage im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart–Ulm abgewiesen. Ein Ulmer war vor den Mannheimer Verwaltungsgerichtshof gezogen, weil er sich mit dem – mittlerweile abgeschlossenen – Tunnelbau unter seinem Grundstück nicht abfinden wollte. In einem vergleichbaren Fall in Stuttgart, der ebenfalls dieser Tage in Mannheim hätte verhandelt werden sollen, haben die Kläger kurz vor dem Gerichtstermin aufgegeben.

 

Die Klage des Manns aus dem Ulmer Ortsteil Lehr richtete sich nicht gegen die Bahn, sondern gegen das Land. Weil der Kläger dem Tunnelbau nicht zustimmen und die entsprechende Vereinbarung mit der Bahn nicht unterzeichnen wollte, erließ das zuständige Regierungspräsidium (RP) in Tübingen eine sogenannte vorzeitige Besitzeinweisung. Mit diesem Papier darf die Bahn Grundstücke in Anspruch nehmen, auch wenn sie sich mit dem Eigentümer noch nicht einigen konnte.

Der Anwalt des Klägers, der Stuttgarter Fachanwalt für Bau- und Architekturrecht, Klaus W. Lebsanft, argumentierte vor Gericht, die Entscheidung des Regierungspräsidiums sei schon deshalb hinfällig, weil die Bahn von vornherein keine Neigung habe erkennen lassen, die in der Baugenehmigung auferlegten Schutzmaßnahmen zu erfüllen. So habe sein Mandant, der nicht nach Mannheim gekommen war, während der Bauphase ins Hotel übersiedeln müssen, da die Belastungen, die der Tunnelbau verursachte, sein Haus unbewohnbar gemacht hätten. Peter Schütz, der die Bahn anwaltlich vertrat, wies dies zurück. Die von dem Vorsitzenden Richter Karsten Harms geforderten Belege für die Angaben des Klägers ließen sich auf die Schnelle allerdings auch nicht beibringen.

Strittiger Tunnel ist seit Ende vergangenen Jahres gebohrt

Zudem zog der Kläger die Eilbedürftigkeit der Entscheidung in Zweifel, die nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz Voraussetzung dafür ist. Das RP habe die Entscheidung im Januar vorigen Jahres erlassen, tatsächlich hätten die Bauarbeiter das Grundstück aber erst im späten Frühjahr erreicht, um es zu unterfahren.

Der Tunnel, für dessen Bau die Grundstücke des Klägers in Anspruch genommen wurden, verbindet die Albhochfläche bei Dornstadt (Alb-Donau-Kreis) mit dem Vorfeld des Ulmer Hauptbahnhofs. Die beiden Röhren wurden Ende 2016 durchgeschlagen. Nun läuft der Innenausbau.

Die Klage des Ulmers ist nicht der einzige Fall, in dem sich die Betroffenen gegen den Tunnelbau unter ihrem Besitz wehren. In Stuttgart hatten zwei Eigentümer aus der Straße Frühlingshalde im Bezirk Nord moniert, dass ihre Grundstücke über das in der Baugenehmigung festgelegte Maß hinaus in Anspruch genommen würden. Ihre Begründung: Stahlanker, die beim Bau der Röhren seitlich und nach oben zur Sicherung ins Gestein eingebracht würden, ragten über den eigentlichen Tunnelquerschnitt hinaus.

Die Eigentümer, unter deren Besitz die Tunnelröhren zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof verlaufen, versuchten per gerichtlicher Anordnung, die Arbeiten im vergangenen Sommer so lange zu stoppen, bis ihre Sache entschieden ist. Damit scheiterten sie allerdings. Die ebenfalls im Sommer 2015 beim VGH eingereichte Klage zogen sie vor Kurzem zurück, wie ihr Anwalt Armin Wirsing auf Anfrage mitteilte.

Nach Auskunft der Bahn kommt es bei Stuttgart 21 und der Neubaustrecke nach Ulm zu gut 6500 sogenannten Grundstücksinanspruchnahmen. Das bedeute aber nicht, dass es dieselbe Anzahl an betroffenen Eigentümern gebe. Baut die Bahn zwei Röhren unter ein und demselben Grundstück, fließt dies etwa als zwei separate Inanspruchnahmen in die Statistik ein. Im Vorfeld der Arbeiten versucht die Bahn, mit den Betroffenen einen sogenannten Gestattungsvertrag abzuschließen. Momentan verfügt die Bahn über fast 4700 dieser Einigungen, die sie je nach Baufortschritt einholt. Kritiker werfen der Bahn hingegen immer wieder vor, zu kurzfristig auf die Betroffenen zuzugehen und damit die teils komplizierten Verhandlungen über einen Gestattungsvertrag unter unnötigem zeitlichem Druck zu führen.